: „Ganz egal, welche Liga es ist“
Wie man ein 0:0 als Sieg der chancenlosen Eintracht im Abstiegskampf deutet: Mönchengladbach ist erledigt, und Frankfurt muß nur noch zwei Teams hinter sich lassen ■ Von Klaus Teichmann
Frankfurt/Main (taz) – Augenzwinkernd und unwahrscheinlich aufgeräumt präsentierte sich Gladbachs Trainer Rainer Bonhof nach dem Kellerderby, als habe er es schon immer gewußt, daß er die Fohlen zum Klassenerhalt führen wird. Die Saison ist allerdings noch gar nicht zu Ende, und falls er inzwischen auf die Tabelle geschaut hat, wird er merken, daß Gladbach immer noch abgeschlagen Letzter ist. Und das 0:0 in Frankfurt eigentlich eher bedeutet, die letzte Chance verpaßt zu haben.
Der Abstand zu den rettenden Plätzen mag vielleicht weiterhin sieben Zähler betragen und „das Potential in der Mannschaft besser als ihr Tabellenplatz“ (Bonhof) sein, doch das Remis nützt eigentlich nur der Frankfurter Eintracht – jetzt muß man nur noch zwei Teams hinter sich lassen, Gladbach ist bereits so gut wie weg.
„Und wenn wir in der letzten Minute ein Tor mit Bauch oder Knie machen“ – egal wie, hatte Eintracht-Coach Reinhold Fanz wenigstens vor der Partie gegen den Tabellenletzten einen Sieg angepeilt. Was sich dann am Samstag den 38.000 Zuschauern im überraschend gut gefüllten Waldstadion bot, war einerseits ein 0:0 der besseren Sorte. Das Spiel lebte von seiner Dramatik und hatte gemessen an seiner Konstellation (Drittletzter gegen Allerletzten) sogar eine gewisse Qualität. Sogar Torchancen der besseren Sorte wurden herausgespielt. „Wenn man zu Hause gegen den Tabellenletzten spielt, und der Gegner hat die besten fünf Chancen, kann etwas nicht stimmen“, erkannte Frankfurts nomineller Stürmer Fjörtoft durchaus selbstkritisch hier allerdings eine gewisse Einseitigkeit.
Andererseits war es eben doch bloß ein 0:0. Noch dazu in einem Spiel, welches 4:0, 3:7 oder 4:4 hätte ausgehen müssen, aber niemals 0:0. Gladbach hätte nur ein Auswärtssieg beim Konkurrenten etwas genutzt. Die Eintracht hätte sich unter keinen Umständen die Blöße geben dürfen, auch gegen das Schlußlicht ohne Sieg zu bleiben. Hätte. Immerhin entwickelte sich zumindestens in der zweiten Hälfte auch ein echtes „Golden- Goal-Spiel“ – beide Teams spielten mutig nach vorne, auf den alles entscheidenden Treffer. Doch Feldhoff und Sopic sind eben nicht Oliver Bierhoff, obwohl Toni- Doppelpack-Polster mustergültig aufgelegt hatte. Der wird seinem Namen derzeit dadurch gerecht, daß er in den beiden Schlußminuten auf dem Feld steht,
„Leistungssport spielt sich zwischen den Ohren ab“, sagt Bonhof seit einiger Zeit gern, um die mentale Schwäche seiner Akteure vor des Gegners Tor zu beschreiben. Doch als Erklärung, warum ein Spiel, das nicht torlos enden darf, doch 0:0 ausgeht, kann dies kaum ausreichen. Außerdem endeten neben dem Frankfurter Spiel auch drei weitere Partien ohne Treffer – so wenige Tore gab es zuletzt vor zehn Jahren. Sat. 1 bemühte die Erklärung, die Stürmer seien in der ÖTV organisiert und es handle sich um erste Warnstreiks, die FAZ bemüht das Wetter und den sich abzeichnenden Vollmond – doch was steckt wirklich hinter der Flaute? Eine Frage, die womöglich nach einer philosophisch ansprechenden Antwort schreit, fern ab von allem Positivismus. Doch mit Michel Foucault gesprochen, kann der Autor an dieser Stelle nur Fragen stellen, die Antworten müssen andere finden.
Was die Situation in Frankfurt betrifft, so zeigte das Publikum am Samstag lange Geduld. Dann kamen sie aber doch noch und mit aller Macht – Ehrmantraut-Sprechchöre voller Wehmut. „Das entscheidende Tor hat uns gefehlt“, meinte Fanz hinterher. Das stimmt. Allerdings hatte sich die Eintracht nicht eine eigene Torchance erarbeitet. Und der Trainer hält daran fest, Sobotzik im Sturm zu vergeuden und wirkt auch sonst wenig einfallsreich.
Was bringt das 0:0? Immerhin kann man darauf verweisen, nun wieder auf einem Nichtabstiegsplatz zu stehen. Denoch werden die Zuschauer in Frankfurt schon einmal auf das Schlimmste vorbereitet. „Ganz egal, welche Liga es auch ist“, lautet eine Strophe im neu vorgestellten Eintracht-Song. Manager Rohr stellt die Weichen für den „gesunden Abstieg“, wie er es denn vorbeugend nennt. Sein Konzept: das wenige Geld für entlassene Trainer zahlen und jede Menge talentierte Jugendliche nach Frankfurt locken, die vielleicht im Jahre 2010 wieder ansehnlichen Fußball versprechen, sollten sie nicht bis dahin längst wieder von finanziell potenteren Klubs geködert worden sein. Die Fans quittieren das auf ihre Art – sie gröhlen „Rohr, du Sau“.
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