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Rauchende Köpfe„Zukunftswerkstätten“

■ Freizeitheim Neustadt wird wieder aufgebaut / Jugendliche werden an Konzept und Bau mit „Hit- und Shitliste“ beteiligt“

Drei Tage lang rauchten im Jugendfreizeitheim Thedinghauser Straße die Köpfe. Nachdem das Mädchen-Café des Freizis vor über zwei Jahren ausgebrannt war, wird nun der Wiederauf- und Umbau in Anfgriff genommen. Nach ihren Wünschen entwickelten rund 70 Kinder und Jugendliche in drei „Zukunftswerkstätten“ das neue Gesicht des Jugendzentrums.

„Planen mit Phantasie“ heißt dieses Konzept, das die Bremer aus Schleswig-Holstein übernommen haben: Kinder und Jugendliche sollen an allen sie betreffenden Veränderungen beteiligt werden, so steht es schon seit über zwei Jahren in der schleswig-holsteinischen Gemeindeverordnung. Extra dazu ausgebildete „ModeratorInnen für Alltagsdemokratie und Kinderfreundlichkeit“ helfen dort bei der Planung. Drei davon hat man jetzt nach Bremen geholt: „Wir waren von dem Konzept begeistert und wollen daraus lernen,“ erklärt dazu Hans-Günter Schwalm vom Amt für Soziale Dienste.

Das Partizipationskonzept soll Planungsfehler vermeiden und Politkverdrossenheit und Vandalismus entgegenwirken. „Die Jugendlichen gehen anders mit Dingen um, die sie selbst gestaltet haben,“ sagt Moderator Rüdiger Hasse. Außerdem sollen sie lernen, Kompromisse zu schließen und ein Gefühl für die Kosten zu entwickeln.

Die „Zukunftswerkstätten“ waren sorgfältig organisiert: Am ersten Tag entwickelten die Jüngeren, am zweiten Tag ausschließlich Mädchen und zum Ende hin die älteren Jugendlichen ihr Wunsch-Freizi. Auf einer „Shitliste“ sammelten sie ihre Ärgernisse wie Anwohnerbeschwerden, Rauchverbot im Jugendzentrum und dumme Öffnungszeiten. „Die Jugendlichen sollen sich klar machen, was ihnen nicht paßt, damit sie ihre Wünsche formulieren können“, erklärt Hasse das Prinzip. Auf der „Hitliste“ standen dann Computerräume, Disco und Hausaufgabenhilfe ganz oben.

Die Umbauideen wurden von den Jugendlichen in den Grund-riß eingezeichnet, danach Modelle des „Freizi-Fun-Park“ oder das „Newtown-Freizi“ gefertigt – aus Reststoffen. Den Bauplan, nach dem das Freizi schließlich umgebaut wird, erstellt der Architekt in den kommenden Wochen mit Vertretern der drei „Zukunftswerkstätten“ und Fachleuten. Aus drei Vorschlägen muß ein Kompromiß geformt werden. Am 17. März soll er modifiziert werden, damit möglichst schnell mit dem Bau begonnen werden kann. Denn die Einweihung des neuen Jugendfreizeitheims Neustadt ist für den Zeitraum um Ostern 2000 geplant.

Die Finanzierung ist weitgehend gesichert: Die Versicherung zahlt die Wiederherstellung des zerstörten Gebäudes. Den Löwenanteil für Innenausbau und Raumausstattung in Höhe von 250.000 Mark übernimmt die Stiftung Wohnliche Stadt und der Beirat Neustadt steuert rund 50.000 Mark bei. kag

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