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Die Berliner SPD isoliert sich

■ Der ehemalige Berliner Juso-Vorsitzende Andreas Wehr ist im Oktober aus der SPD ausgetreten. Jetzt kandidiert er als Parteiloser für die PDS-Liste zur Europawahl. Wehr zu Perspektiven linker Politik

taz: Was bringt einen SPD-Linken dazu, sich gerade jetzt mit der PDS zusammenzutun?

Andreas Wehr: Meine inhaltlichen Positionen stimmen mit den Positionen der PDS inzwischen stärker überein als mit denen der SPD.

An welchen Punkten?

Insbesondere in der Friedensfrage. Ich halte es für sehr wichtig, daß die PDS eine klare Position zu Militäreinsätzen hat. Sie sagt deutlich: Militäreinsätze werden Probleme wie im Kosovo nicht lösen. Die SPD dagegen hat sich von der Position verabschiedet, daß solche Einsätze nur im Rahmen der UNO oder der OSZE stattfinden dürfen.

Damit hatten Sie ja bereits Ihren SPD-Austritt im Oktober begründet. Gibt es darüber hinaus noch Fragen, die Sie bei der PDS besser aufgehoben sehen?

Ein weiterer Punkt ist auf jeden Fall die ausgesprochen unkritische Sicht der SPD in punkto Binnenmarkt und Einführung des Euro. Hier hat man im Gegensatz zur PDS nur die positiven Seiten gesehen, nicht aber die negativen Auswirkungen, die sich einstellen werden: eine verstärkte Konkurrenz und das Abwärtsnivellieren der europäischen sozialen Standards, ebenso wie der Umweltstandards und der Löhne.

In Berlin werden Sie keinen leichten Stand haben. Im Gegensatz zur Bundes-SPD ist die Berliner Partei massiv darum bemüht, die Abgrenzung zur PDS zu zementieren. Wie erklären Sie sich diese harsche Reaktion?

Zum einen gibt es einen objektiven Druck von Seiten der Berliner CDU und der Medien. Ich sehe jedoch mit großer Sorge, daß sich die Berliner SPD damit inzwischen innerhalb der Bundespartei ein Stück isoliert – vielleicht noch zusammen mit der sächsischen SPD. Ich weiß auch nicht, wie sie da wieder rauskommen will.

Denken Sie, daß die Partei in ihrer Haltung langfristig festgelegt ist?

In Berlin ist die Situation unbestritten sehr viel schwieriger, aber langfristig wird die Geschichte keinen Umweg um Berlin machen. Auch in Zukunft wird man eine starke PDS haben. Und man wird um diese Partei, hinter der ein relevanter Bevölkerungsteil steht, nicht herumkommen. Damit wird sich die SPD auseinandersetzen müssen.

Was würde es denn für die politische Landschaft Berlins bedeuten, bliebe die Berliner SPD in der PDS-Frage standhaft?

Wenn die Berliner SPD bei ihrer Position bleibt und es bei den Wahlen nicht für Rot-Grün reicht – was durchaus passieren kann – dann steht hier eine erneute Große Koalition an.

Welche Rolle spielt da die Parteilinke oder anders gefragt findet linke Politik in der Berliner SPD statt?

Ich hoffe sehr, daß es auch in der Zukunft linke Politik in der SPD gibt und die Parteilinke wieder zu Kräften kommt. Gegenwärtig sehe ich allerdings in Berlin wie auf Bundesebene wenig von diesen Linken. Gerade die Parteilinke müßte in Berlin das PDS-Problem bewegen.

Welchen Anspruch kann man angesichts der rot-grünen bundesdeutschen Realität als Linke überhaupt formulieren?

Es gibt Ansätze einer Reformpolitik, die man konsequent verfolgen muß. Zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik. Wenn man aus dem Dilemma der Arbeitslosigkeit rauskommen will, dann braucht man einen öffentlichen Beschäftigungssektor, der weder ABM noch erster Arbeitsmarkt ist. Staatlich abgesicherte Beschäftigung, wie kritische Wirtschaftswissenschaftler lange fordern. In der SPD-PDS- Regierung Mecklenburg-Vorpommerns wurde das bereits berücksichtigt. Hier in Berlin stehen die Bildungspolitik und die Verkehrspolitik ganz oben auf der Prioritätenliste. Wir brauchen etwa eine ganz andere finanzielle Ausstattung für die Bildung in dieser Stadt. Eine rot-grüne Regierung unter Tolerierung der PDS könnte in dieser Stadt eine ganze Menge bewegen.

Und Sie setzen Hoffnungen auf die PDS trotz der rückwärtsgewandten Züge, die derzeit durch die Partei fahren?

Ich sehe das anders. Zwar gibt es diese Einzelmeinungen in der PDS, aber entscheidend ist doch, was auf Parteitagen gesagt wird, welche Position die Parteiführung vertritt – und hier sehe ich eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Diese darf allerdings nicht beendet werden. Interview Barbara Junge

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