: Unfall in Hanau weiter ungeklärt
■ 300 Menschen im Januar 1987 verstrahlt, nach einem Gutachten des Öko-Instituts aber keine Explosion in der Atomfabrik feststellbar
Berlin/Wiesbaden (taz/AFP) – In der Hanauer Atomfabrik Nukem hat es nach einem Gutachten- Entwurf des Öko-Instituts Darmstadt 1987 keine Explosion gegeben. Dies teilte gestern das hessische Umweltministerium in Wiesbaden mit. Zugleich habe das Öko- Institut allerdings „über einen längeren Zeitraum Defizite“ bei der Strahlenschutzüberwachung sowie Verstöße gegen Genehmigungsauflagen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen festgestellt.
Im Juni 1998 hatte die taz aus einem Bericht der Gießener „Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik und Meßtechnik“ (Arge Pham) für die Staatsanwaltschaft Hanau berichtet. Danach waren bei rund 300 Personen im Januar 1987 „spontan Dosimeterkontaminationen“ aufgetreten. Aus der Verstrahlung zahlreicher Mitarbeiter hatte die Arge Pham auf eine Explosion in der damaligen Brennelementefabrik Nukem A geschlossen.
Die Nukem hatte stets bestritten, daß es eine Explosion im Werk gegeben hätte. Das hätte auch das Gutachten eines Tragwerkspezialisten bewiesen, der die Gebäude untersucht hatte, so die Nukem vergangenen Juni zur taz. Die Tochterfirma des Stromkonzerns RWE gab jedoch zu, daß im Januar 1987 Radioaktivität freigesetzt worden war. Wie es dazu kam, konnte Nukem aber nicht sagen.
Nach Erkenntnissen des Öko- Instituts hat es in der Atomfabrik lediglich genehmigte bauliche Veränderungen gegeben. Allerdings stellten die Gutachter nach Ministeriumsangaben fest, daß ein 1991 an Krebs gestorbener ehemaliger Nukem-Mitarbeiter zwischen 1976 und 1978 höheren Dosisgrenzwerten ausgesetzt war, als die Strahlenschutzverordnung zuläßt. Im Rahmen von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mußte Nukem schon früher zugeben, daß der Mann mit dem 28fachen der Lebensstrahlendosis kontaminiert worden war.
Nach einem Schmiergeldskandal bei ihrer Tochterfirma Transnuklear (TN) 1988 hatte sich Nukem aus der Produktion von Brennelementen für AKWs zurückgezogen. Damals waren unter anderem Mitarbeiter von Atomkraftwerken bestochen worden, um falsch deklarierte TN-Atommüllfässer nicht zu beanstanden. Die ehemalige Atomfabrik in Hanau wird derzeit abmontiert. rem
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