American Pie: „Er ist so schlau“
■ Dennis Rodman lehrt die Lakers und ihren Coach, wie man Basketballspiele gewinnt
And the three men that I admire most
Nachdem Dennis Rodman wochenlang geheimniskrämernd durch die Talkshows getourt war, mit diversen NBA-Teams flirtete und sich im Glanz seiner gloriosen Vergangenheit sowie seines bizarren Lebenswandels gesonnt hatte, präsentiert er seit einigen Tagen ausschließlich seine zweite Inkarnation: den knallharten Basketballer. „Es geht nicht um Glanz und Glamour“, läßt der 37jährige Neuzugang der Los Angeles Lakers wissen, „es dreht sich darum, Basketballspiele zu gewinnen.“
Das tut sein neuer Klub wieder, seit der kräftige Bursche mit der Nummer 73 die Rebounds schnappt und statt Del Harris der einstige Lakers-Spieler Kurt Rambis als Coach auf der Bank sitzt. Nach den Siegen gegen die Los Angeles Clippers und die Houston Rockets wurden am Montag abend auch die Phoenix Suns mit 97:91 bezwungen. Rodmans Beitrag: 16 Rebounds, sieben Punkte, drei Assists, 30 Minuten rigorose Verteidigung und eine kleine Lektion für das Trainer-Greenhorn. Kurz vor Ende beantragte er bei Rambis die Auswechslung seiner Wenigkeit und schlug vor, statt dessen einen besserern Freiwurfschützen zu bringen. „Ich habe ihm bloß gesagt, daß es bestimmte Situationen gibt, in denen man defensive Spieler bringt, und bestimmte Situationen, in denen man offensive Spieler bringt“, erläuterte Rodman seine Intervention und fügte hinzu: „Er ist ein junger Coach, und ich glaube nicht, daß er schon auf dieser Ebene denkt.“ Keine Spur mehr von jener „Schüchternheit“, die er angeblich noch beim Debüt gegen die Clippers verspürt hatte. Immerhin ist der „junge Coach“ Rambis 41 Jahre alt und besitzt selbst vier Meisterschaftsringe, die er bei den Showtime-Lakers der 80er Jahre an der Seite von Magic Johnson gewann.
Daß die fünf Titel von Dennis Rodman nicht von ungefähr kommen, merkten seine neuen Teamkollegen sehr schnell. „Er ist ohne Zweifel ein gewaltiger Schuß in den Arm“, bemühte der altgediente Spielmacher Derek Harper einen etwas fragwürdigen Vergleich, die jüngeren Stars Shaquille O'Neal (26) und Kobe Bryant (20) sind vor allem von Rodmans Abgebrühtheit beeindruckt. „Er weiß eine Menge über das Spiel Basketball“, hat Shaq bemerkt, der bisher nicht gerade als Rodman- Fan bekannt war, und Bryant staunt: „Er ist so schlau.“ Rodman selbst ist überzeugt, daß er die Lakers, die für einen Titelaspiranten äußerst schwach in die Saison gestartet waren, in ein Meisterschaftsteam verwandeln kann. „Diese Mannschaft braucht mich“, sagt er, „ich bringe Aufregung, eine Menge Kampfgeist und Führungsqualitäten.“ Letztere wird er brauchen, wenn er einer Mannschaft, die bisher als Ansammlung genialer Individualisten und eitles „Glamourteam“ (Charles Barkley) galt, seine Philosophie nahebringen will. „Wenn du eine gute Basketballmannschaft haben willst, dann muß du selbstlos sein“, lautet Rodmans sportliches Credo, „du mußt dir auf die Zunge beißen, deinen Stolz vergessen, einfach rausgehen und gewinnen.“
Eine Kunst, die Rodmans letztes Team, der sechsfache Champion Chicago Bulls, perfekt beherrschte. Einer seiner dortigen Kumpane hieß Michael Jordan, und der ließ es sich nicht nehmen, an der Seite von Jack Nicholson Rodmans Auftritt gegen die Houston Rockets, mit dem anderen alten Kumpanen, Scottie Pippen, zu verfolgen. Mit zehn Rebounds trug der neue Liebling der Lakers-Fans seinen Teil zum 106:90-Sieg bei, und Pippen war wenig überrascht: „Energie, Kampf, Rebounds, gute Verteidigung, das sind Dinge, mit denen du immer rechnen kannst, wenn er aufläuft.“
Wenn er aufläuft! Nicht wenige hatten gezweifelt, daß Rodman dies allzu häufig tun würde, doch jene Propheten des Unheils sind zur Zeit ziemlich still. Dennoch kann man davon ausgehen, daß die Lakers-Idylle nicht die ganze Saison Bestand haben wird. Irgendwann kommt auch der andere Rodman mal wieder zum Vorschein. Die Frage ist, ob Kurt Rambis und seine Spieler so souverän damit umgehen können wie in den letzten Jahren Phil Jackson und die Chicago Bulls. Matti Lieske
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