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Menschliche Gesten, unheroisch

■ Das fsk zeigt Ademir Kenovic' Sarajevo-Film „Der perfekte Kreis“

Jeder Weg durch Sarajevo ist ein Spießrutenlaufen. Hamza, der Dichter, weiß das, Adis und Kerim, die zwei Jungen, auf die er eines Nachts in seiner Wohnung stößt, müssen es erst lernen. „Schneller, schneller!“ treibt Hamza die beiden Brüder an, wenn sie eine Straße überqueren; „Bückt euch!“ schreit er, wenn die Trümmer nicht genug Deckung bieten.

Als Kerim einmal in die Schußlinie gerät, weil er einen angeschossenen Hund rettet, brüllt sich Hamza fast die Seele aus dem Leib. Doch der Junge – er ist taubstumm – nimmt es nicht wahr. Ein junges Mädchen beneidet ihn deswegen: Wenn er die Maschinengewehrsalven nicht höre, habe er sicherlich auch keine Angst. Nein, antwortet Kerim mit Hilfe seines ihn dolmetschenden Bruders, er fürchte sich sehr, spüre er doch die Granaten und die Schüsse am ganzen Leib. Hamza, Kerim und Adis sind die Hauptfiguren in dem mehrfach ausgezeichneten Spielfilm „Der perfekte Kreis“ von Ademir Kenovic. Kenoviv, 1950 in Sarajevo geboren, gehört zu den Gründern der „Sarajevo Group of Authors“, einer Gruppe von Filmemachern, Autoren und Intellektuellen, die sich auch während der Besatzung regelmäßig traf.

Sein Film kam unter schwierigen Bedingungen zustande: Ein erstes Script lag noch vor dem Ausbruch des Krieges vor, konnte aber aus naheliegenden Gründen nicht umgesetzt werden. Gemeinsam mit dem Autor Abdulah Sidran entwickelte Kenovic ein neues Drehbuch. Damit das Filmteam die Arbeit aufnehmen konnte, bedurfte es einer Genehmigung der UNO; als im Februar 1996 endlich gedreht wurde, war man auf die Unterstüzung einer Minenräumgesellschaft angewiesen. Diese prekäre Situation merkt man auch dem Film an. Das Grau der zerstörten Stadt läßt die Figuren nur einmal los – für eine kurze, an der Küste angesiedelte Traumsequenz. Hunger und Mangel sind ihre ständigen Begleiter, dennoch amüsieren sich die Kinder, als sie die Szene aus Charlie Chaplins „The Gold Rush“ sehen, in der der Komiker eine Schuhsohle verspeist.

In der Begegnung von Adis und Kerim mit dem Dichter droht der Film bisweilen ins Sentimentale abzugleiten. Doch Kenovic gelingt es immer wieder, die zermürbende Seite des Krieges in den Vordergrund zu rücken. Gesten der Menschlichkeit mag es da zwar geben. Daß sie aber den Kriegsalltag veredeln, wird nicht behauptet: Heldentum kommt hier nicht vor. Cristina Nord

„Der perfekte Kreis“. Regie: Ademir Kenovic, mit: Mustafa Nadarevic, Almedin Leleta, Almir Podgorica u.a., Frankreich/Bosnien 1997, 108 Min. OmU, ab heute im fsk

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