Offener Brief: Absage an Wischer
■ Migrantinnen ins Rathaus eingeladen
Heute nachmittag hat Frauensenatorin Tine Wischer Migrantinnen ins Bremer Rathaus eingeladen, um „ins Gespräch zu kommen“. In der Einladung heißt es, „der Internationale Frauentag bietet Anlaß, zurückzublicken, zu schauen, was sich getan, was sich verändert hat (...).“ Eine der Eingeladenen, Ghislaine Valter, zog vorab Fazit – und bleibt weg.
Sehr geehrte Frau Senatorin Wischer, ich bedanke mich herzlich für Ihre Einladung. Es wäre schön gewesen, sich anläßlich des Internationalen Frauentages zu treffen, um zu schauen, was sich getan, was sich verändert hat. In Abschiebungshaft hat sich leider nichts geändert: Qualifizierte Sozialarbeit zur Betreuung der Abschiebehäftlinge findet nach wie vor nicht statt. Minderjährige werden inhaftiert, wie Sie folgendem Bericht entnehmen können:
Die minderjährige Josée war allein, über drei Wochen lang, in der Arrestzelle der Wache Lehe in Bremerhaven festgehalten worden, bevor sie durch die Intervention ihrer Rechtsänwältin am 20. Oktober letzten Jahres nach Oslebshausen in Abschiebehaft verlegt wurde.
Als ich Abschiebehäftlinge besuchte, teilten mir Beamte im Gewahrsam mit, ein junges Mädchen – der Vater aus Sudan, die Mutter aus Nigeria – könne am Hofgang nicht teilnehmen, weil sie keine warme Bekleidung bei sich habe und baten mich, sie anzusprechen.
In ihrem dünnen Jäckchen saß Josée am Tisch in der Besucherzelle. Gemeinsam stellten wir eine Liste mit den notwendigsten Sachen zusammen. Die PGW-Bediensteten fuhren am nächsten Tag mit Josée zu einem Bekleidungslager und besorgten warme Sachen. Mir blieb die Besorgung von Unterwäsche, körperpflegenden Mitteln, etc.
An dieser Stelle möchte ich an die seit 1996 gestellte Forderung der Asylgruppe erinnern:
Einstellung eines/r qualifizierten SozialarbeiterIn zur Betreuung der Abschiebehäftlinge
Unmittelbar vor Josées Entlassung – als ihre Minderjährigkeit durchs Bundesamt festgestellt wurde – bekam ich den Hinweis, daß sie möglicherweise in falsche Hände geraten könnte. Sie war im Rotlichtmilieu festgenommen worden. Ich setzte mich mit dem Bundesamt in Verbindung. Mir wurde empfohlen, Kontakt mit dem Sozialdienst aufzunehmen. An diesem Nachmittag war dort niemand zu erreichen. Später erfuhr ich, daß Josée spurlos verschwunden war.
Anläßlich des Internationalen Frauentages möchte ich aus dem handgeschriebenen Asylantrag von Josée zitieren: „Why cannot you please look for a house around Bremerhaven where I can stay till the war is over.“
Ich würde mich freuen, zu einem späteren Zeitpunkt mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen – wenn es denn etwas gibt, worauf wir mit Stolz, Freude und Hoffnung zurückblicken können.
Mit freundlichen Grüßen für die Asylgruppe Ostertor, Ghislaine Valter
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