Yorkies Tricks aus der Mülltonne

Manchester United ist Champions League-Favorit Nummer 1. Pro: Großer Offensivfußball beim 2:0 gegen Inter Mailand. Contra: Defensive Schwächeanfälle  ■ Aus Manchester Ronald Reng

Zwei Kopfballtore von Dwight Yorke brachten Manchester United einen 2:0-Sieg über Inter Mailand im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League, das weiß inzwischen jeder. Aber hier ist die Exklusivnachricht, wo er das geübt hat: in der Mülltonne. „Er stellte sich in eine leere Abfalltonne, so daß er seine Füße und Beine nicht bewegen konnte, und köpfelte den Ball. Minutenlang...“, berichtet David Platt, ein ehemaliger englischer Nationalspieler, der einst gemeinsam mit Yorke bei Aston Villa arbeitete: „Yorkie liebte solche unsinnigen Tricks.“

Noch heute, gut ein Jahrzehnt später und mittlerweile auf der großen Bühne des Sports gelandet, spielt Yorke (27) Fußball wie ein Gaukler. Gegen Inter legte er sich den Ball einmal selber vor – volley mit der Hacke in hohem Bogen über seinen verdutzten Gegenspieler hinweg. Es ist nur konsequent, daß dieser ständig lachende Stürmer von der Karibikinsel Tobago die neue Symbolfigur von Manchester United ist; jenem Team, das Fußball als großes Spektakel präsentiert.

Ob sich mit solch ausgelassenem Angriffsfußball der Europapokal gewinnen läßt, ist eine der aufregendsten Fragen dieser Saison. Die Partie gegen Inter – das so sehr für den entgegengesetzten, von Vorsicht und Pragmatismus geprägten Fußball steht – erklärte Uniteds Trainer Alex Ferguson geradezu zum Duell zwischen Gut und Böse. „Ewiggestrige“ seien die Mailänder mit ihrer destruktiven Spielweise, sagte er. Doch das 2:0 sollte als positiver Beleg für Manchesters Chancen nicht überstrapaziert werden. United zeigte wieder einmal alles: Romantiker konnten sich an den herausragenden Flanken von Flügelläufer David Beckham begeistern, Kritiker durften in den Schlußminuten den Kopf schütteln, als Manchesters Abwehr plötzlich in Serie schlampte. Nur Glück und Torhüter Peter Schmeichel retteten den Abend.

Daß Trainer Ferguson den Sieg nicht als Triumph beschreiben wollte, lag allerdings nicht nur an den kleinen Schwächeanfällen zum Ende und dem teilweise ungenauen Paßspiel. Es lag auch am Gegner. Inter, Uefa-Cup-Gewinner im vergangenen Jahr, ist derzeit nicht gut genug, um für United der absolute Maßstab zu sein. Ronaldo, ihr stürmender Talisman, fehlt seit Wochen und Monaten verletzt, in der italienischen Meisterschaft lungern die Mailänder 13 Punkte hinter Tabellenführer Lazio auf Platz sechs herum. Von zehn Spielen in diesem Jahr haben sie nur drei gewonnen, und warum, war am Mittwoch im Stadion Old Trafford unschwer zu erahnen.

Einen großen Überraschungsmoment hatte Inter, Anfang der zweiten Halbzeit, als sich Auswechselspieler Taribor West warmlief; mit hochgesteckten, grün gefärbten Rastazöpfen. „Was ist das für eine bescheuerte Frisur?“ sangen Zehntausende begeisterte Engländer. So viel Stimmung erregte das Spiel der Mailänder nicht. Warum agiere seine Elf neuerdings immer erst gut, wenn sie die Partie praktisch schon verloren habe, wurde Inters Trainer Mireca Lucescu gefragt und antwortete: „Das frage ich mich auch.“ Daß der Angriff über die Flügel bei seiner Elf nicht existent war, ein entscheidendes Manko, erklärte Lucescu lapidar: „Wir spielen halt nicht so wie die Engländer, sondern vertikal durch die Mitte.“

Brav liefen sie die abgesprochenen Wege, Aron Winter wechselte vom linken auf den rechten Flügel, Diego Simeone war überall; allein der Ball lief selten wie abgesprochen. Stürmer Roberto Baggio zog sich ins Mittelfeld zurück, um da die Initiative zu suchen; das einzige, was er dort fand, war Uniteds harter Mann, Roy Keane, der ihm jeglichen Spielraum raubte.

Inters Abwehr war erschreckend schwach im Kopfballspiel, „mit Beckhams Flanken wurden sie nicht fertig“, registrierte Ferguson und grinste. Zehn Vorlagen schlug Beckham, sieben führten zu astreinen Torchancen, eine exzellente Quote. Zwei nutzte Yorke zu seinen Saisontoren 22 und 23. Youri Djorkaeff, Inters netter Außenstürmer, sagte, „wenn sie die Treffer wenigstens in anderen Spielsituationen geschossen hätten; Flanke Beckham, Kopfball Yorke, auf keine andere Kombination haben wir uns im Training so sehr vorbereitet“.

Dann nahm er einen Schluck aus einer Plastikflasche mit der Aufschrift „Manchester United Quellwasser“, und verkündete, als habe ihm der Trunk neue Kräfte verliehen: „Immer wenn Inter geschlagen wurde, schlägt es zurück. Es gibt ein Rückspiel.“

Das ist auch Ferguson nicht verborgen geblieben. Sicher könne seine Elf sich trotz des Vorsprungs nicht fühlen, sagte Uniteds Trainer und verwies auf die Nationalität des Gegners – da wisse man nie, was komme: „Wenn Italiener sagen, es gibt Pasta, schaue ich immer unter der Soße nach, ob es auch wirklich Pasta ist.“

Manchester United: Schmeichel – Gary Neville, Johnsen (46. Berg), Stam, Irwin – Beckham, Keane, Scholes (69. Butt), Giggs – Yorke, Cole

Inter Mailand: Pagliuca – Galante, Bergomi, Colonnese – Zanetti, Cauet, Simeone, Winter – Djorkaeff – Zamorano (68. Ventola), Roberto Baggio (79. Pirlo)

Schiedsrichter: Krug (Gelsenkirchen)

Zuschauer: 54.000

Tore: 1:0 Yorke (7.), 2:0 Yorke (45.)