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Der Bumerang der argentinischen Monoindustrie

■ In der Stadt Cordoba stehen fast alle Automobilfabriken wegen der Krise in Brasilien vor dem Aus. Nur im Volkswagenwerk wird rund um die Uhr für den „New Beatle“ produziert

Cordoba (taz) – Schichtwechsel bei Renault in Cordoba, Freitag morgen. Durch das Eingangstor der Autofabrik drängen nur wenige Arbeiter. Wo sonst eine Reihe Lkws am Straßenrand warteten, um Material anzuliefern, steht nur ein einziger. Seit die argentinischen Exporte nach Brasilien Ende vergangenen Jahres ins Stocken gerieten, werden bei Renault die Bänder langsamer gedreht, seit Januar sind Arbeiter beurlaubt. Im Moment erscheinen nur noch 20 Prozent der Belegschaft jeden Morgen zur Arbeit, der Rest sitzt zu Hause und wartet.

„Ich gehe viel spazieren und versuche mich zu beschäftigen, damit ich mir keine Sorgen darüber mache, wie es weitergeht“, schildert Enrique Murua seinen Tagesablauf als beurlaubter Arbeiter bei Renault. Seine Familie mußte sich stark einschränken. Derzeit verdient Murua noch 75 Prozent seines Gehalts, aber im April wird es nur noch die Hälfte sein. Im Mai ist ganz Schluß. Auch die Firma, in der sein Sohn arbeitet, wird ab Montag Personal beurlauben. Wenn noch ein Einkommen wegfällt, wird es langsam kritisch für die Familie.

Cordoba ist das Detroit der Unterentwicklung. Die Stadt ist mit den Automobilfabriken groß geworden und von ihnen abhängig. Daneben gibt es nur etwas Agrarindustrie und Dienstleistungen. In fast allen Automobilwerken – Chrysler, Fiat, General Motors – sind derzeit Arbeiter beurlaubt. Die reduzierten Löhne, die noch gezahlt werden, sollen auf die Abfindungen angerechnet werden, wenn die Fabriken ganz schließen müssen. Schon jetzt hat Cordoba zwölf Prozent Arbeitslose.

Die meisten Exporte der 1,3-Millionen-Stadt fließen in den Mercosur, den gemeinsamen Markt von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Hauptabnehmer ist Brasilien. Und wenn das seine Währung um 40 Prozent abwertet und keine Autos mehr kauft, wird es auch in den Fabriken in Cordoba kritisch.

Einzige Ausnahme ist das Volkswagen-Werk, das Bundespräsident Roman Herzog gestern während seiner Argentinienreise besichtigte. Nach Angaben von VW wird dort derzeit rund um die Uhr gearbeitet, in drei Schichten sieben Tage die Woche. Das Geheimnis heißt „New Beatle“, für den in Cordoba das Getriebe hergestellt wird. Da der Käfer in den USA gute Verkaufszahlen einfährt, sorgt sich bei VW in Cordoba niemand allzusehr über die Brasilien-Krise. Außerdem zielt VW nicht nur auf den Mercosur, sondern auch auf andere Märkte.

„Das was uns derzeit passiert haben wir in den 70erJahren schon einmal durchgemacht“, sagt Guillermo Marianacci, Wirtschaftssekretär Cordobas. 70.000 Automobil-Arbeiter saßen damals plötzlich auf der Straße. Trotzdem hat die Stadt erst 1995 beschlossen, die Wirtschaftsstruktur zu ändern. Neue Industriezweige sollen mit Steuerbegünstigungen geködert werden. Ein Industriepark für Agrarfirmen ist bereits in Planung.

Doch das wird erst einmal wenig helfen. „Aus dieser Krise werden wir nicht gut herauskommen, denn die Automobilindustrie hat keine Zukunft“, meint José Campellone, Chef der Metallarbeitergewerkschaft SMARTA. Von den 10.000 Mitgliedern seiner Gewerkschaft sind 6.000 beurlaubt. Seltsamerweise verhält sich die Gewerkschaft äußerst still und versucht, gemeinsam mit Unternehmen die Krise in den Griff zu kriegen. Beurlaubten Arbeitern empfiehlt Campellone, sich in anderen Branchen umzusehen – für Enrique Murua ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Mit 50 Jahren wird ihn keiner mehr einstellen. Freie Stellen seien rar, sagt er: „Man kann nur noch auf ein Wunder hoffen.“ Ingo Malcher

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