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RechtssprechungSchnellverfahren...

■ ... gibt es in der StPO schon seit 120 Jahren

Karlsruhe (taz) – Das beschleunigte Verfahren, mit dem die Stuttgarter Prozesse gegen Kurden durchgezogen wurden, ist kein Sonderrecht für die PKK. Theoretisch können Gerichte seit 120 Jahren einfache Strafverfahren in kürzester Zeit abschließen. So lange schon erlaubt es das Gesetz, daß eine Anklage nicht schriftlich erhoben wird, daß der Richter die Hauptverhandlung nicht durch einen Beschluß eröffnet und daß Angeklagter und Zeugen in kürzeren Fristen geladen werden. Voraussetzung ist, daß Strafen bis höchsten ein Jahr Haft zu erwarten sind und daß Richter und Staatsanwaltschaft nicht lange aufklären müssen, was eigentlich passiert ist.

Bis vor kurzem nahm aber kaum ein Gericht Kenntnis davon. 1994 rückte der Gesetzgeber das Verfahren deshalb einfach an eine andere Stelle in der Strafprozeßordnung (StPO) und erlaubte, Verdächtige unter wesentlich laxeren Voraussetzungen vor dem Verfahren im Gefängnis zu behalten, damit sie bei ihrem Schnellprozeß auch greifbar sind. Der Trick funktionierte. In einigen Bundesländern gehört das Verfahren inzwischen zum Standard.

Anwälte sind weniger begeistert. Rainer Brüssow, der als Strafrechtler für den Deutschen Anwaltsverein spricht, sagt, daß kaum Zeit bliebe, die Verteidigung vernünftig vorzubereiten. Angeklagte kämen oft auch nicht auf die Idee, sich einen Anwalt zu nehmen, wenn sie direkt aus der Haft in den Gerichtssaal geführt würden.

Schnell oder nicht, verteidigt oder nicht: Für eine Abschiebung besteht kein Unterschied. Dafür ist eine rechtskräftige Verurteilung nötig. Verurteilt ist der Täter auch nach dem Schnellverfahren. Ob er sich noch einmal dagegen wehrt, hängt rechtlich auch nicht vom Verfahren ab. Gudula Geuther

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