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Exzeß und Ergebnis

■ Der Animationsfilmer Heinrich Sabl zeigt seine verstörenden Filme

Wie wahnsinnig sollte ein Künstler sein? Wer einmal liebevoll in einem Düsseldorfer Künstlerhaushalt betreut wurde und dort miterleben mußte, wie der Gastgeber in jeder Nacht von einer manisch Kornblumen malenden Künstlernachbarin mit Maria Callas beschallt wird, entwickelt bei der Beantwortung dieser Frage strenge Maßstäbe.

Der Exzeß kann nämlich auch ganz anders aussehen – so wie bei Heinrich Sabl. Zwar kennt auch der Berliner Animationsfilmregisseur in seiner Arbeitswut keine Grenzen. Aber anders als die Kornblumenmalerin wirkt Sabl im verborgenen. Während der zweiten Produktion seiner Alfred- Jarry-Adaptionen, hört man, mußten er und sein Team schon nach wenigen Wochen das Rauchen aufgeben und pfundweise Äpfel essen, um den Puppentrickfilm „Mere Ubu“ noch rechtzeitig für das Stuttgarter Trickfilmfestival fertigstellen zu können. Trotz Vitaminzufuhr sah Heinrich Sabl sehr blaß aus, als er schließlich in Stuttgart seinen Film vorstellte. Noch blasser aber waren die Gesichter mancher Zuschauer nach der Vorführung des höchst unmoralischen Trickthrillers: „Mere Ubu“ ist ein verstörender Film.

Das liegt nicht nur an seinen bizarren Figuren und Bauten oder an den selbst für Erwachsenenanimation ungewöhnlich gewalttätigen Szenen: Heinrich Sabl zählt mittlerweile zu den wenigen Trickfilmern, die sich um eine angemessene Vertonung ihrer Bilder kümmern. Schon im ersten Teil der jeweils knapp viertelstündigen Ubu- Geschichten (Pere Ubu, 1997) synchronisierte Katharina Thalbach eine Rolle; für „Mere Ubu“ wurden u.a. Ben Becker und Sophie Rois als Sprecher gewonnen. Es ist nicht zuletzt deren Stimmgewalt, was Sabls Puppen wirklich werden läßt – man möchte dem leidenschaftlich mordenden Ehepaar Ubu auf keinen Fall begegnen.

Heinrich Sabl behauptet, nur zufällig Animationsfilmer geworden zu sein. „Es ist das einzige, was ich kann“, erzählte er einmal, grundsätzlich gehe es darum, „in voller Fahrt“ auf die Wand zuzuhalten. Aber sehen Sie besser selbst, wie ernst das gemeint ist. Carola Rönneburg

„Pere Ubu“ und „Mere Ubu“. Premiere: Sa., 21.30 Uhr und 22.30 Uhr, So., 21 Uhr, im Babylon- Kino, Rosa-Luxemburg-Str. 30

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