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Prozeßflut läßt auf sich warten

■ Das neue Insolvenzrecht sorgt wider Erwarten nicht für den großen Ansturm auf die Amtsgerichte - noch nicht. Offene Fragen bei der Prozeßkostenhilfe verunsichern die Schuldner

Man hatte mit dem schlimmsten gerechnet: Schon Monate bevor die neue Insolvenzordnung am 1.1. 1999 in Kraft trat, befürchteten die Amtsgerichte in Berlin und Potsdam einen enormen Ansturm. Sie sahen sich bereits „mit Anträgen zugeschaufelt“ beschreibt Thorsten Graeber, Richter am Amtsgericht Potsdam, seine Horrorvisionen. Die sechs Schuldner, die dann tatsächlich in den letzten 66 Tagen im Amtsgericht Potsdam ihre Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einreichten, überforderten die Richter allerdings nicht. Auch in Berlin zeigten sich die Schuldner zunächst zögerlich: Hier vermeldete man 50 Anträge. Zahlen, die bei rund 150.000 überschuldeten Haushalten in Berlin eigentlich unter die Rubrik „zu vernachlässigen“ fallen, so Kurt Rautenberg, Richter am Amtsgericht Charlottenburg.

„Es kam alles ganz anders als befürchtet“, bilanzierte am Donnerstag der Berlin-Brandenburger Arbeitskreis für Insolvenzrecht e.V. gemeinsam mit dem Berliner Anwaltsverein. Das Interesse von Schuldnern, die von ihrem Schuldenberg runterwollen, ist jedoch immens. Die kostenlosen Schuldnerberatungsstellen sind seit Monaten überfüllt und vertrösten die Schuldner bereits mit Wartezeiten. Deswegen sieht alles danach aus, als würde sich der große Andrang auf die Gerichte nur verschieben.

Das Zögern der Schuldner ist verständlich: Die wichtigste bisher ungeklärte Frage ist noch immer die Finanzierung des Verfahrens, das vom Schuldner zwischen 3.000 und 5.000 Mark abverlangt. Hauptinteressenten des neuen Gesetzes, die nach einem dreistufigen komplizierten Verfahren schließlich schuldenfrei werden können, sind Sozialhilfeempfänger. In ihrem Budget sind kostspielige Gerichtsverfahren eigentlich nicht vorgesehen. Weil der Gesetzgeber die Prozeßkostenhilfe für das Insolvenzverfahren nicht geregelt hat, liegt die Entscheidung in jedem Einzelfall beim Richter. „Die Richter sind in dieser Frage untereinander noch zerstritten“, beschreibt Rautenberg das momentane Stadium der Entscheidungsfindung seiner Kollegen. Für den einzelnen Schuldner ist die Finanzierung des Verfahrens also noch immer Glückssache.

Die Anzahl der tatsächlich durchgeführten gerichtlichen Insolvenzverfahren minimiert sich indes weiter: Von den bereits 50 vorliegenden Anträgen sind nur wenige in das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren eingegangen, die restlichen scheiterten an ihren Fehlern: Die Schuldner müssen 32 DIN-A4-Seiten korrekt ausfüllen.

Auch sonst ist die Entwicklung laut Rautenberg nicht so gelaufen wie vom Gesetzgeber gedacht. Schönstes Beispiel für Fehlschläge des neuen Gesetzes: der Fall eines Schuldners aus der Baubranche, der mit 18 Millionen Mark bei seinen Gläubigern in der Kreide steht und einer der ersten war, der beim Amtsgericht Charlottenburg in der Schlange stand. Als Angestellter seiner Frau verdient er 2.000 Mark im Monat und kann damit seinen Gläubigern 700 Mark im Monat anbieten. Probleme mit der Finanzierung des Verfahrens hat dieser Schuldner allerdings nicht: Dafür könnte er 40.000 Mark von seiner Familie beisteuern. Einem solchen Fall nach sieben Jahren die Schuldenfreiheit zu bescheinigen war ursprünglich nicht der Wille des Gesetzgebers. Corinna Budras

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