: 20 Tote - keine Verantwortung
■ Italien und Deutschland sind empört über den Freispruch des US-Piloten, der in Cavalese 20 Urlauber in den Tod riß. Das Urteil folgt auf die US-Hinrichtung des Deutschen LaGrand
Rom/Bonn (AFP/rtr/taz) – Wut und Empörung herrschten gestern in Italien und Deutschland, nachdem ein Militärgericht in den USA am Donnerstag den Piloten Richard Ashby freisprach, der am 3. Februar 1998 bei einem Tiefflug in Cavalese in den italienischen Alpen das Seil einer Seilbahn durchtrennt und 20 Menschen in den Tod gerissen hatte. In Deutschland droht das Urteil, kurz nach der völkerrechtswidrigen Hinrichtung des Deutschen Walter LaGrand in den USA, die deutsch-amerikanischen Beziehungen weiter zu strapazieren.
Sieben der 20 Toten von Cavalese waren deutsche Urlauber aus dem sächsischen Burgstädt. Ein Entschädigungsgesuch der Stadt an US-Präsident Bill Clinton ist bereits abgelehnt worden, weil dafür nach US-Auffassung Italien verantwortlich ist; nun will Bürgermeister Lothar Naumann erneut an Clinton schreiben. Viele der Hinterbliebenen seien durch die Todesfälle existentiell betroffen, sagte Naumann. Frauen und kleine Kinder der Opfer seien auf Entschädigungen angewiesen. Die 5.000 Dollar Soforthilfe seien nicht ausreichend. Er werde sich deshalb noch einmal direkt an US-Präsident Bill Clinton wenden. Schließlich habe der US-Kongreß per Gesetz 20 Millionen Dollar zur Beseitigung der Schäden in Cavalese bereitgestellt. Eine solche Regelung müsse auch für die Hinterbliebenen gefunden werden.
Die Bundesregierung kündigte an, sie werde die Ansprüche der Hinterbliebenen mit rechtlichen und politischen Mitteln unterstützen. An der grundsätzlichen Verantwortung der USA für das Unglück gebe es keine Zweifel, erklärte das Auswärtige Amt. In einem Interview des US-Fernsehsenders CNN sprach sich sogar Ashby für eine Entschädigung der Hinterbliebenen aus.
In Italien reichten die empörten Reaktionen bis in die Regierung. „Unakzeptabel“ nannte den Richterspruch Innenminister Rosa Jervolino Russo. „Erschüttert“ war Justizminister Olivieiro Diliberto. „Italien kann seinen Bürgern nicht erklären, daß es keine Verantwortung gibt“, sagte Regierungschef Massimo D'Alema, der sich gerade in den USA aufhält. Sogar der US- Botschafter in Rom, Thomas Foglietta, sagte, er sei „schockiert“.
Die einflußreiche Zeitung Repubblica nannte das Urteil „den Preis, den die US-Justiz an den militärisch-industriellen Komplex zahlen muß, der die wahre Regierung ist“. Der Corriere della Sera sagte, die USA dürften Italien nicht „wie eine Provinz seines Reiches behandeln“. Der Fraktionsführer der Kommunisten, Armando Cossuta, forderte ein Verbot der US-Militärflüge über Italien.
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