Der Hüter der „liberalen Großstadtpartei“

Ein halbes Jahr nach dem Wahldebakel der Union in Bonn hat Klaus Landowsky, der heimliche Parteichef in der Hauptstadt, die Zeichen der Zeit erkannt. Sieben Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus setzt er auf einen Generationswechsel in der CDU  ■ Von Barbara Junge

Manchmal erklärt auch eine Sitzordnung die politische Dramaturgie. Etwa bei der Berliner CDU. In der vorletzten Reihe hatte Klaus Landowsky Platz genommen, als die Union im Februar einen Europa-Kandidaten kürte. Ganz vorne, über die Delegierten erhoben auf der Bühne, trohnte der bundesweit bekannte Landesparteichef und Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen – und dazwischen die ganze Partei.

Sieben Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Oktober und gut sechs Monate nach dem christdemokratischen Wahldebakel in Bonn hat in Berlin einer die Zeichen der Zeit erkannt.

Während in der Bundes-CDU eine ganze Generation strampelt, um aus dem Schatten des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohls herauszutreten, setzt Klaus Landowsky, CDU-Fraktionsvorsitzender und heimlicher Parteichef in der Hauptstadt, auf einen Generationswechsel. Auch wenn nicht jeder der Jungen ganz nach seinem Geschmack ist.

In Berlin stimmen die altgewohnten konservativen Koordianten nicht mehr. Selbst das bislang untrennbare Duo Eberhard Diepgen/Klaus Landowsky, die Studienfreunde, der Kern der „liberalen Hauptstadtpartei“ setzt in Sachen Nachwuchs nicht mehr auf die gleiche Karte. Während Eberhard Diepgen den altgedienten jetzigen Europaabgeordneten und Altersgenossen Peter Kittelmann als Europakandidaten unterstützte, signalisierte Klaus Landowsky einem Mann aus dem Nachwuchslager der parteiinternen Diepgen- Gegnern, Ingo Schmitt, seine Unterstützung.

Der wurde gewählt und Landowsky klatschte hinten mitten unter den Delegierten Beifall.

Klaus Landowsky ist bereit, die Bühne Jüngeren zu überlassen. Nur die Regieanweisungen sollen noch aus seiner Feder stammen. „Die nächsten fünf Jahre will ich versuchen, die Partei einer jungen, offenen Generation zu übergeben“, heißt das in seiner Diktion, „zusammen mit Eberhard Diepgen“.

Denn wenn sich keiner darum kümmere, „dann entwickelt sich die Partei an manchen Ecken dumpf“. Berlin aber brauche „keine dumpfen Parteien“. Klaus Landowsky setzt seine Hoffnungen auf „weltoffene, metroplengemäße Leute“. Keine Leute, „die an jeder Ecke ein Beißholz zwischen den Zähnen haben“.

Die Unterscheidung ist mit Bedacht gewählt. Bereits im vergangenen Jahr war eine Truppe von Christdemokraten mit der Parole des Generationenwechsels angetreten. Allerdings unter anderen Vorzeichen: Unter dem Label „Union 2000“ hatte sich versammelt, wer die von Diepgen und Landowsky propagierte „liberale Großstadtpartei“ als Relikt der Vergangenheit ansah.

Eine Garde junger Rebellen, aber auch alter, zukurzgekommener Diepgen-Gegner und konservativer Haudegen. Geführt unter anderen von einem alten Diepgen- Gegner, der Diepgen an Jahren in nichts nachsteht: Uwe Lehmann- Brauns, der Rebell aus dem bügerlichen Zehlendorf, ist stolze 60 Jahre alt. Diepgen kommt gerade mal auf 57 Jahre.

Die Union müsse sich durch klare konservative Positionen von der mitregierenden SPD abheben, hatten die Rebellen gefordert. Diepgen solle deshalb den Parteivorsitz abgeben. Den nationalen Populisten und damaligen Innensenator Jörg Schönbohm – inzwischen aufs brandenburgische Land verbannt – wollte man als Führungsfigur aufbauen.

Diepgen blieb Parteivorsitzender, doch im Handstreich konnte „Union 2000“ im Landesvorstand der Partei die Mehrheit übernehmen. Ein Warnsignal für Klaus Landowsky. Die bewährte Arithmetik stimmt nicht mehr. Die Macht des alten Freundeskreises schwindet. Und ohne Steuerung rutscht die Union nach rechts.

Der Parteistratege Landowsky handelt. Er unterstütze etwa den „Union 2000“-Mann Schmitt. Im Gegenzug macht Schmitt für Landowsky einen sicheren Listenplatz für die Berliner Abgeordnetenhauswahlen frei. Denn der alte Gegner Lehmann-Brauns hatte Landowsky aus aus seinem angestammten Wahlbezirk vertrieben. Ein Deal zum eigenen Vorteil und um den zunächst hermetisch wirkenden Block der „Union 2000“ aufzuweichen.

Der Regierende Bürgermeister werde „mit einem Team junger Leute in den Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus ziehen“, erklärt Landowsky seit dem schlechten Abschneiden der Berliner CDU bei der Bundestagswahl unentwegt. „Politisch nach vorne schieben“ will er den Politiknachwuchs, wie etwa die Abgeordneten Monika Grütters oder Cerstin Richter-Kotowski, die Staatssekretäre Peter Kurth und Ingo Schmitt.

Auch wenn gerade vergangene Woche eben jene Grütters und jener Kurth von einer Garde alter Frontstadtmänner im Kampf um Mandate für das Landesparlament ausgebremst wurde. Als „Führungsreserve der Partei“ bezeichnete Landowsky die beiden danach fast trotzig: „Die beiden sind für Spitzenpositionen präsentabel.“

Im Februar ließ Landowsky einen Testballon aufsteigen: Eberhard Diepgen solle im kommenden Frühjahr nicht wieder als Landesvorsitzender kandidieren, erklärte er in einem Radiointerview – auch wenn nach dem Interview wieder alles ganz anders war: Das berühmte Löschblatt passe nicht zwischen ihn und Landowsky, ließ Eberhard Diepgen wissen. Und Klaus Landowsky bemühte die übliche Ausrede: ein Mißverständnis.

Selbstverständlich steht Landowsky noch hinter Diepgen, für den er „die Partei macht“. Selbstverständlich auch, daß Klaus Landowsky an der gemeinsamen alten Devise der „liberalen Großstadtpartei“ festhält und sie auch gegen die jungkonservativen Rebellen verteidigt.

Nicht ganz zufällig, heißt es aus der CDU, sei es um Klaus Landowsky bei der Doppelpaßkampagne der CDU so still geblieben – schließlich habe der Fraktionsvorsitzende aus Überzeugung selbst nicht unterzeichnet. An der gemeinsamen politischen Linie der beiden Freunde sind Zweifel unangebracht.

Immer häufiger jedoch, berichten Parteifreunde, stelle Landowsky seinen Freund auch zur Rede. Warum er so verbissen an den alten Strukturen festhalte. Und warum er nicht den qualifizierten Jungen, seien sie auch nicht restlos linientreu, eine Chance gebe. Wie eben Ingo Schmitt. Bei der Strategie für die Zukunft ist das Duo gespalten.

Klaus Landowsky – der Populist, der bei Bedarf auch rechte Töne anschlagen kann – hat erkannt, daß seine Zeiten in der Berliner Union sich dem Ende zuneigen. Früher als seine Weggefährten hat er sich aus dem alten Klüngel verabschiedet und sucht neue Wege. Landowsky weiß, dies wird wohl die letzte Wahl mit einem Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen sein. Statt jedoch in Untätigkeit zu erstarren – statt die Fehler eines Helmut Kohl zu wiederholen – hat er sich entschlossen, den Übergang in die eigenen Hände zu nehmen.

Die Führung der Berliner Union in das nächste Jahrtausend nicht einer unbefriedigten konservativen Garde zu überlassen, sondern selbst junge Kräfte aufzubauen. Oder wie es ein Parteifreund umschreibt: „Klaus Landowsky will nicht, daß sein Lebenswerk, die liberale Großstadtpartei Uwe Lehmann-Brauns in die Hände fällt.“