: Minister denkt über sanften Tourismus nach
■ Fördergelder für Tourismus könnten an Umweltauflagen gekoppelt werden, sagt Werner Müller zur ITB-Eröffnung. Er wolle diese Idee „mit Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren“
Berlin (taz) – Ein Schwerpunkt der Internationalen Tourismusbörse (ITB), die am Wochenende in Berlin begann, ist „sanfter Tourismus“. Da rang sich auch der Bundeswirtschaftsminister in seiner Eröffnungsrede ein Bekenntnis zum nachhaltigen Reisen ab: Kein Urlaubsland könne auf Dauer die Überbelastung der Natur ertragen, sagte Minister Werner Müller. Wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung einer Region seien gleichwertige Ziele. Hier gelte es, Ansätze zu fördern. „Für den Staat stellt sich zum Beispiel die Frage“, dachte Müller laut nach, „inwieweit er den Umweltschutz stärker einfordert, wenn er im Tourismusbereich Fördermittel vergibt.“
Natürlich kann die Regierung diese wahrlich komplexe Frage nicht so ohne weiteres allein klären: „Diese Frage werden wir mit Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren“, kündigte Müller an. Ganz ohne Diskussion war ihm dagegen schon klar: Die deutschen Flughäfen müßten weiter ausgebaut werden. Auch die Mehrwertsteuer auf deutsche Hotelbesuche ist dem Minister zu hoch. Die 16 Prozent seien ein „handfester Wettbewerbsnachteil“, beklagte Müller. Woanders müsse man für sein Hotelbett 3 bis 25 Prozent hinlegen. Er wolle sich da bei seinem Kabinettskollegen Oskar Lafontaine einsetzen für eine Ermäßigung, bis in der EU ein einheitlicher Satz gelte.
Trotz Konjunkturflaute wollen noch mal 2 Prozent der Deutschen mehr als 1998 in Urlaub fahren, wie die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) erfragte. Allein 15 Prozent wollen auf jeden Fall zu Hause bleiben, 14 Prozent sind unentschlossen, aber mehr als zwei Drittel (71 Prozent) wollen dieses Jahr verreisen.
Immer weniger machen Urlaub im eigenen Land – 1998 waren es 29,6 Prozent. Ihr Anteil schwand um 2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Ob es an der Mehrwertsteuer lag oder am Wetter, kann Minister Müller ja mal mit Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren. Dennoch ist das Inland häufigstes Ziel, gefolgt von Spanien und Österreich.
Durchschnittlich 1.441 Mark gab ein Urlauber 1998 pro Reise aus, das sind 16 Mark mehr als im Vorjahr bei kaum spürbarer Inflation. Pauschalangebote werden laut FUR immer beliebter und machen schon 45 Prozent der Reisen aus.
Jeder zweite kurvt mit dem Auto in den Urlaub, fast ein Drittel nimmt das Flugzeug. Laut Emnid- Institut würden am liebsten sogar 73 Prozent fliegen – wenn sie sich das leisten könnten. Mit der Bahn fahren bloß 7 Prozent in die Sonne. Besonders umweltschonend klingt das nicht. Allein der ADFC meldet ein steigendes Interesse an einer „umwelt- und sozialverträglichen“ Urlaubsform: Fahrradfahren. Das werde immer beliebter, wie sich an der Zahl der Fahrradmitnahmen in der Bahn ablesen lasse, die sich in zehn Jahren auf 1,6 Millionen verdoppelte.
Wie es um den Tourismus, ob sanft oder nicht, bestellt ist, läßt sich auf der ITB noch bis zum 10. März studieren. Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen