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Die PDS flirtet, die SPD ziert sich

■ Auf ihrem Parteitag macht die PDS der SPD Avancen. Brie wünscht intensive Kooperation. Sozis Schröder und Scharping sind uneins über Zusammenarbeit mit den Sozialisten im Bundesrat

Suhl/Berlin (AFP/dpa/taz) – Im ersten Anlauf gewählt, und das gegen sechs Konkurrenten. André Brie, PDS-Vordenker und schärfster interner Kritiker seiner Partei, kann zufrieden sein, auch wenn nur magere 56 Prozent der Delegierten für ihn stimmten. Auf dem Europa-Parteitag der PDS im thüringischen Suhl schaffte er den Sprung auf den zweiten Platz der Liste für das Europa-Parlament in Straßburg.

Den Erfolg verdankt der 48jährige nicht zuletzt seinem stärksten Gegner, dem 71jährigen PDS-Ehrenvorsitzenden Hans Modrow. Der Verfechter einer ausgeprägteren DDR-Orientierung in der SED-Nachfolgeorganisation hatte – wie im Vorfeld verabredet – auf eine direkte Gegenkandidatur verzichtet. Eine Kampfabstimmung zwischen den beiden hätte die Partei vor eine Zerreißprobe gestellt.

Der letzte sozialistische Ministerpräsident der DDR wurde stattdessen für den anderen aussichtsreichen Männerplatz der quotierten Liste aufgestellt. Mit rund 78 Prozent der Stimmen lag sein Ergebnis deutlich über dem von Brie. Spitzenkandidatin wurde die stellvertretende Parteivorsitzende Sylvia Yvonne Kaufmann, der andere Frauenplatz ging an Christel Filbinger aus Brandenburg. Bei der Europa-Wahl 1994 hatte die PDS die Fünf-Prozent- Hürde um 0,3 Prozent verfehlt.

Offiziell widmete sich der Parteitag vor allem dem Europaprogramm, in dem mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit in der EU verlangt werden. Sowohl Brie wie Parteichef Lothar Bisky positionierten sich aber auch zur Frage einer künftigen Zusammenarbeit mit der SPD. Bisky sagte, durch ihre Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern und die fragile Situation von Rot-Grün im Bundesrat sei die PDS zum ersten Mal auf Bundesebene erfolgreich. „Niemand von uns sollte diesen Weg ohne Not in Frage stellen.“

Brie ging noch ein Stück weiter und setzte voll auf die Übernahme politischer Verantwortung auch auf Bundesebene. „Die PDS sollte gegenüber der SPD auf intensive Weise kooperationsfähig werden. Wir müssen dies bis 2002 auf Bundesebene schaffen.“

Während die PDS der SPD Avancen machte, verhedderten sich die Sozialdemokraten am Wochenende zunehmend beim Versuch, zu einer klaren Linie im Umgang mit den Sozialisten zu finden. Verteidigungsminister Rudolf Scharping verkündete in der Bild am Sonntag, Bundeskanzler Gerhard Schröder habe vor der SPD- Bundestagsfraktion „ganz klar gesagt, daß eine Zusammenarbeit der SPD mit der PDS im Bund nicht in Frage kommt“. Das gelte „natürlich auch für das Bundesorgan Bundesrat“.

Mit diesem „Machtwort des Kanzlers“ sei für ihn die Diskussion erledigt, meinte Scharping. Des Kanzlers Wort war freilich nicht sein letztes.

Am Sonntag erklärte Schröder im Deutschlandfunk, der Ausschluß einer Zusammenarbeit mit der PDS gelte mitnichten für Abstimmungen im Bundesrat. Dort arbeite man schließlich nicht mit Parteien zusammen, sondern mit Ländern.

Auch in der PDS ist die Zusammenarbeit umstritten. Einen Tag vor dem Parteitag hatten sich junge Abgeordnete des Bundestages und der Landesparlamente bereits in ihrem Suhler Quartier getroffen, um ihre Kritik abzustimmen. „Bestimmte Themen werden in der Partei einfach nicht mehr diskutiert – aus Rücksichtnahme auf die SPD in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen“, sagte die Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt. „Mit dem Argument bevorstehender Wahlen und der erforderlichen Geschlossenheit wird jeder Einwand verhindert.“ pat

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