: „Wir sind doch uninteressant“
Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen und Trainer Ristic haben im DFB-Pokalhalbfinale gegen den FC Bayern kaum etwas zu gewinnen – das gilt auch bei einem Sieg ■ Von Katrin Weber-Klüver
Oberhausen (taz) – Immer wieder die eine Frage, immer, immer wieder, seit Wochen und Monaten. Vor allem aber in den letzten Tagen immer wieder, von Fernsehteams und Zeitungsreportern und Fans und Spielern – und nicht zuletzt von sich selbst: Wie ist der FC Bayern zu schlagen?
Ja, was soll Aleksandar Ristic auf so eine Frage antworten? Andererseits ist die Frage die richtige, denn das ist es, worum es in diesem ersten DFB-Pokalhalbfinale heute abend (19 Uhr, Parkstadion Gelsenkirchen, ZDF) geht: Ob Rot- Weiß Oberhausen den FC Bayern München besiegen kann. Nur weiß Ristic das als Trainer von RWO auch nicht besser zu sagen als ein Senner im Allgäu.
Deshalb sagt er freundlich, mit einer Spur von Resignation im deutsch-bosnischen Singsang: „Keiner kann Bayern schlagen“, Pause, „ich werde versuchen“. Weil Ristic die Mathematik liebt, besser: Fußball als solche verstanden wissen will, bedeutet das übersetzt: „Bayern hat 90 Prozent Chance“, Pause, „zehn Prozent sind auch nicht schlecht.“
90 Prozent Torchancen bei Elber, Jancker, Daei oder Zickler; zehn Prozent bei Weber, Toborg, bei Scharping oder Gaißmayer. Wahrscheinlich, daß ein Jeremies dem ohnehin angeschlagenen RWO-Spielmacher Pröpper schnell den Schneid abkauft, bestenfalls zu hoffen, daß Luginger Effenberg oder Scholl nicht nur beim Kombinieren zuschauen muß. Immerhin interessant, wie gut sich der linke Außen Arens gegen einen Strunz oder Basler halten kann, schon wieder angsteinflößend, wie sich auf der anderen Seite möglicherweise Konjevic gegen Lizarazu behaupten soll.
Er habe, sagt Ristic, noch „Überraschungen“ parat, was eher seiner Elf Mut als den Bayern Angst machen dürfte. Ach, was für eine unsinnige Idee, man habe als Außenseiter bei einem Pokalhalbfinale nichts zu verlieren! RWO ist jetzt das Eintracht Trier (Halbfinale 1998) des Wettbewerbs, könnte das Energie Cottbus (Finale 1997) werden und träumt natürlich heimlich von der Nachfolge von Hannover 96 (Pokalsieger 1992).
Wenn man so nah dran ist, wie man wahrscheinlich nie wieder sein wird, hat man eine Menge zu verlieren. RWO hat mit dem Verlieren schon angefangen. Elf Spiele, seit Ristic' Amtsantritt, war der Zweitligist ungeschlagen. Zuletzt aber unterlag man zu Hause 0:2 gegen Greuther Fürth. Ristic konstatierte: „Wir haben alle erwartet eine Niederlage – und bekommen, die Gedanken einiger waren schon beim Bayern-Spiel.“
Auf der Gegenseite, auch dessen ist sich der Trainer gewiß, verhält es sich anders: „Wir sind uninteressant für Bayern, die achten auch nicht auf Kaiserslautern, warum soll die sich Kopf zerbrechen über Oberhausen?“ Das einzige, was von Bayern letzten Freitag den Weg ins Niederrheinstadion fand, war das Gerücht, als Spielbeobachter sei Wolfgang Dremmler entsandt. Nicht einmal Co-Trainer Henke. Der DFB-Pokal hat so wenig Reputation, daß das einzige Interesse der Bayern ein statistisches sein kann: Noch haben sie die Chance auf das Triple aus beiden nationalen und einem europäischen Titel.
Die Halbfinalisten des Mittwochspiels Wolfsburg – Bremen dürfen bei einem Bayern-Sieg schon mit einem richtiges Geld bringenden Uefa-Cup-Platz spekulieren. Für Rot-Weiß geht es immerhin um eine Größenordnung, die für einen notorisch in Schwierigkeiten mit DFB und Etatplanung steckenden Verein tatsächlich existentiell sein könnte. Mit dem Ruhm allerdings wird es selbst im Falle eines Sieges nicht weit her sein. Verliert der Verein mit dem Kleeblatt im Wappen, ist er morgen vergessen. Bei einem Sieg wird die Aufmerksamkeit außerhalb des Dunstkreises von Centro und Gasometer auch kaum länger als bis übermorgen anhalten.
Oberhausen ist ein Zweitligist, der gegen den Abstieg spielt – kein Vestenbergsgreuth. Und mit Toren für die Ewigkeit ist auch nicht zu rechnen. Jedenfalls ist der erste Anwärter verletzt. Jörg Lipinski hatte den spektakulärsten Moment seiner Karriere, als er, noch bei Rot-Weiß Essen spielend, im Pokalspiel gegen Schalke 04 einmal so allein mit sich, dem Ball und dem Tor war, daß er vor der Linie bremsen und ein paar Sekunden Vorfreude auf den Treffer genießen konnte. Was RWO nichts anders lehrt als: Vorfreude ist noch immer die schönste Freude.
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