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Der Mann für die „Anständigen und Tüchtigen“

■ Die Karriere des Jörg Haider: Vom deutschtümelnden Rechtsaußen hat sich der machtbewußte Politiker zum Propagandisten bürgerlicher Sekundärtugenden gewandelt. Sein Ziel: das Kanzleramt

Die Kärntner haben Jörg Haider einen Gefallen getan: Sie haben ihn und seine FPÖ nur mit 42 Prozent gewählt. Jetzt kann er sich freuen, denn, so sagte er einmal, „gingen wir auf die absolute Mehrheit zu, hätte ich mit mir selber keine Freude mehr, weil ich jemand bin, der absolute Mehrheiten zutiefst verabscheut“.

Jörg Haider, der Ur-Demokrat? Ja, es gab einmal eine Zeit, da galt Haider als Linker in der rechtslastigen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Das Etikett des „Linken“ wird dem Sozialsprecher einer Fraktion – das war Haider von 1979 bis 1983 – fast automatisch aufgedrückt, vor allem in einer Partei, die nach dem Krieg als Sammelbecken ehemaliger Nazis gegründet worden war. Von links war allerdings keine Rede mehr, als der damals 36jährige Haider 1986 den glücklosen Parteiobmann Gerhard Steger absetzte und sich zum Hoffnungsträger der Opposition aufbaute. Der Machtmensch, der seit einem Jahrzehnt verkündet, er wolle Kanzler der Republik werden, säuberte die bei müden fünf Prozent dahindümpelnde Partei von Liberalen und gab zunächst eine mit stramm deutschnationalen Versatzstücken unterfütterte Linie vor. Seine Botschaft richtete sich an „die Anständigen und die Tüchtigen“, jene schweigende Bevölkerungsmehrheit, die durch die Korruption der sogenannten Altparteien systematisch um den Lohn ihrer Mühen gebracht werde. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit wurden die Gastarbeiter als Wurzel allen Übels ausgemacht. Eine Analyse, die wegen des großen Erfolgs inzwischen von den Regierungsparteien übernommen wurde.

Haiders Attacken gegen Parteibuchwirtschaft, Postenschacher und Privilegienrittertum von SPÖ und ÖVP, die seit 1945 an allen politischen Schalthebeln sitzen, trafen in offene Wunden. Binnen weniger Jahre konnte die FPÖ ihren Stimmenanteil vervierfachen. Selbst in den Wiener Gemeindebauten, einer vermeintlich uneinnehmbaren Festung der Sozialdemokraten, haben Haiders Angstparolen eingeschlagen.

Der 49jährige freiheitliche Parteiobmann hat sich nie von seiner eigenen Vergangenheit lösen können. Jörg Haider wuchs als Kind eines Schuhmachers und einer Lehrerin auf, die überzeugte nationalsozialistische Mitläufer gewesen waren. An der Uni Wien war Haider Ende der sechziger Jahre an der Gründung des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) beteiligt, einer Bewegung, die anfangs nur bei den Juristen und unter den reaktionären Studentenverbindungen Fuß fassen konnte.

In Kärnten, wo er 1986 eine Wahlheimat fand, als ihm sein Erbonkel ein feudales Forstgut überschrieb, fühlte sich Haider richtig verstanden. Im Land an der Drau, wo die Erinnerung an den Abwehrkampf gegen Jugoslawien noch lebendig ist und nationalsozialistische Vergangenheit gleichsam zum guten Ton gehört, begann die eigentliche Karriere des promovierten Juristen. Mit markigen Sprüchen erobete er die Bierzelte im Sturm.

Auf Bundesebene war das deutschnationale Wählerpotential jedoch bald ausgeschöpft. Sprüche wie von der „ideologischen Mißgeburt Österreich“ wanderten in die Mottenkiste, statt als dumpfer Deutschtümler bekannte sich der aufstrebende Politiker als begeisterter Österreicher.

Faux pas wie der vielzitierte Spruch von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“, der 1991 ÖVP und SPÖ den Vorwand lieferte, den nach einem rauschenden Wahlerfolg als Kärntner Landeshauptmann amtierenden Haider abzusetzen, werden seltener. Sie sorgen für Aufruhr nur in den Medien und bei den Intellektuellen, die sowieso nicht zur Klientel der FPÖ zahlen. Bei den Wählern schaden Haider diese kaum.

Die Medien lieben ihn: Neue Kronen Zeitung und Täglich Alles himmeln Haider an, Magazine und kritischere Blätter finden in seinem Caudillo-haften Führungsstil, seinen brachialen Säuberungsaktionen in der eigenen Partei und seinen pathetischen Auftritten unerschöpflichen Stoff für bunte Geschichten. Die Stories haben ohne Zweifel Anteil an der wachsenden Popularität Haiders.

Sonnengegerbt, als käme er direkt aus dem Bräunungsstudio oder der Kärntner Bergwelt, tritt er vor die Kameras. Makellos gestylt, modisch immer im Trend. Haider bleibt jedoch, wie viele Frauen bemerken, zu glatt. Sein Charme hat bisher vor allem die Männer angesprochen. Erst jetzt flogen ihm auch die Frauenherzen zu, zumindest jene, die auf saftige Kinderschecks hoffen.

Trotz und wegen des Kärntner Erfolgs aber hat die FPÖ jetzt ein ernstes Problem: Sie kann keine vergleichbaren Figuren für die Nationalratswahlen im Herbst aufbieten. Außerdem hat die Partei, wie Skandale wie der um eine Millionen-Unterschlagung zeigten, in Sachen Korruption und Amtsmißbrauch längst mit den „Altparteien“ gleichgezogen. Die FPÖ braucht einen zweiten Haider.

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