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Sexuelle Avantgarde

In den USA verehrt, hierzulande von allen Seiten angefeindet: die Hamburger Filmemacherin Monika Treut  ■ Von Tobias Nagl

Erst im Mai komme ich endlich wieder aus Deutschland weg“, klagt Monika Treut beim Interview im Altonaer Cafe Kattelbach und zündet sich eine der in Kalifornien so populären American-Spirit-Zigaretten an. Amerika ist ihr über die Jahre zu so etwas wie einem zweiten Zuhause geworden. Deutschland erscheine ihr so eng, sagt sie, und der politische Diskurs sei durch den Fokus auf Berliner Republik, Rot-Grün und Mahnmal-Debatte völlig blockiert. Mit Gastvorträgen und Lehraufträgen an amerikanischen Unis überbrückt sie die Zeit zwischen mühselig finanzierten Filmprojekten, und ihre Promotion über Frauen bei Marquis de Sade und Sacher-Masoch erscheint nach 20 Jahren jetzt beim renommierten Routledge-Verlag in englischer Übersetzung.

„Schon die ersten Filme von Elfi Mikesch und mir hatten es in Deutschland total schwer. Auf amerikanischen Festivals hatten wir sofort Einladungen. Meine Aufenthalte wurden immer länger, und auf einmal hatte ich eine Wohnung in New York. Es gab auch immer mehr Jobangebote und mehr Leute, die mir wichtig wurden.“ Die Prophetin, das ist ja nicht neu, gilt im eigenen Land wenig. In den Achtzigern begann die studierte Germanistin zu filmen: Verführung: Die grausame Frau – ein Thema, mit dem sie sich zu Genüge beschäftigt hatte, und ein glamouröser, avantgardistischer Spielfilm über konsensuellen S/M, der lange vor der heute gefeierten Feministin Judith Butler die Rolle der Maskerade in der Inszenierung von Sexualität herausstellte. Der schwule Filmtheoretiker Richard Dyer verglich ihn mit Faßbinders Querrelle – sieht man diesen kühl ausgeleuteten New Wave- Film mit Mechthild Grossmann, Udo Kier und Dior-Kostümen heute wieder, ahnt man auch warum. Innenminister Zimmermann aber sprach damals von einer Mischung aus Fäkalsprache und Erotik, die niemand zugemutet werden könne, und auch Emma, die gerade kurz davor war, ihre PorNo-Kampagne zu launchen, ging diese Abkehr von der heiligen Kuh einer natürlichen, friedlichen, weiblichen Sexualität deutlich zu weit.

Da klingt es fast schon ungeheuer bescheiden, wenn Treut heute ganz ohne Bitterkeit sagt, ihre Filme verhalten sich eben „anti-zyklisch zum Zeitgeist“. In der lesbischen Coming-Out-Story des schwarzweißen Die Jungfrauenmaschinen wird die Strip-Szene von San Francisco zum Sexutopia, durch das ihre erfahrungshungrige Protagonistin mit einer an Godards Außer Atem erinnernden Ruhelosigkeit irrt. In der Exilanten-Komödie My Father Is Coming erlebt Alfred Edel beim Besuch seiner lesbischen Tochter in New York sein sexuelles Erwachen, und der deutsch-amerikanische Dialog selbst wird zum Thema.

Den ungewöhnlichen Figuren aus Treuts Filmen begegnet man immer wieder – nicht zuletzt, weil sie längst zu so etwas wie einer freigewählten Familie geworden sind, die sie in ihren dokumentarischen Arbeiten wie Female Misbehaviour, Didn't Do It For Love oder jetzt Gendernauts (siehe Kritik unten) porträtiert. „Auf eine Art sind meine Filme eben auch Home movies,“ sagt Treut. In dieser Nähe taucht dann wieder etwas auf, was man bei einem offenen Gespräch über Sexualität erst mal gar nicht erwartet, aber ihre Filme vom Sensationalismus der Talkshows so wohltuend unterscheidet: Liebe. Nicht die romantische, die ihre Dorothee in Die Jungfrauenmaschine zu erkunden suchte, sondern die zu den Aktivisten an der vordersten Front der sexuellen Avantgarde.

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