: Soul, Geklöter und Poesie
■ Ein erster Zwischenbericht vom „women in (e)motion“-Festival: Toshi Reagon, Marilyn Mazur, Kinnie Starr, und Lucie Idlout
Es ist Halbzeit beim Festival „women in (e)motion“, und man kann jetzt schon sagen, daß es einer der besseren Jahrgänge sein wird. Es gab keine wirkliche Enttäuschung, eine größere Bandbreite an Stilen und Persönlichkeiten wird man bei kaum einem anderen Musikfestival finden können, und zumindest bei den ersten beiden Konzerten war das „Moments“ prall gefüllt.
Die Stimmung wurde gleich vom ersten Ton an sehr temperamentvoll angeheizt: „Uh, Yeah, Yeah, Yeah“, brummte die Sängerin, Gitarristin und Komponistin Toshi Reagon ins Mikro, schüttelte dabei den Kopf, so daß die Afrozöpfchen tanzten, und begann eine hinreißende musikalische tour de force. „Just love songs“ spielte sie nach eigener Aussage. Aber die hatten es in sich: Rocksongs, Lieder mit eigenartigem country-feeling, tiefschwarzer Blues und kleine, schöne Poplieder – all das präsentierte die Sängerin gemäß der Dramaturgie der Soulmusik.
Dabei unterstützte sie zwar nicht die angekündigte sechsköpfige Großbesetzung ihrer Band „Big Lovely“ mit vier Frauen und zwei Männern, sondern eine Tourausgabe mit einer rein männlichen Rhythmusgruppe. Aber entscheidend war, daß Toshi Reagon stimmlich von Catherine Russel unterstützt wurde, einer schmächtigen, scheuen Frau, die auch Mandoline spielte und eine stärkere und dunklere Stimme als die gewichtige Bandleaderin hatte. Die Art, in der sich beiden Vokalistinnen in Harmonien und Kontrapunkten ergänzten, gehörte zu den schönen Überraschungen dieses Konzerts.
„Ausverkauft“ war das Konzert der dänischen Perkussionistin Marilyn Mazur. Das war auch nicht anders zu erwarten, denn die Jazzerin, die schon mit Jan Garbarek und Miles Davis gearbeitet hat, ist die einzige bei uns bekannte Künstlerin des Festivals. Wie erwartet beeindruckte die Drummerin durch ihren warmen, phantasievollen Percussionsstil. Bei ihr ist das Schlagzeug keine „Schießbude“. Zudem hat sie in aller Welt Instrumente gesammelt, auf denen sie virtuos klöterte, meist sehr melodisch und mit enormer Klangvielfalt. So trommelte sie auf einem indischen Tontopf herum, hatte gleich dutzendweise Glöckchen und Schellen hinter sich hängen, und wirbelte meist wie eine kleine Hexenmeisterin von Instrument zu Instrument. Da sie auch noch sang, und dabei frappierend an Flora Purim erinnerte, gelang ihr bei den brasilianischen Rhythmen das Kunststück, alleine etwa so zu klingen wie das Paar Airto Moreira/Flora Purim zusamen. Entäuschend war dagegen ihre Band. Obwohl nicht wie angekündigt als Trio, sondern in Quartettstärke spielend, gelang es den dänischen Musikern nicht, einen Gegenpol zu Mazurs dominierendem Rhythmus zu finden. Sie schienen ihr immer nur mit Müh' und Not hinterherzuspielen. Vor allem die Saxophonistin Lotte Anker blieb sehr blaß.
Alles andere als virtous klang am Montagabend Kinnie Starr, und dies nicht nur, weil eine Erkältung sie plagte. Ihr Gitarrenspiel war rudimentär, ihre Stimme dünn und kaum wandlungsfähig, und dennoch war es ein spannender und grandioser Auftritt. Denn die kanadische Performerin schert sich keinen Deut um Perfektion. Gleich beim ersten Song stieg sie von der Bühne hinunter zum Publikum, sang/rezitierte/rapte vor eingespielten HipHop-Samples, und überzeugte durch einen sehr sympathischen Mut zum Spontanen und Unfertigen. Sie nahm es wirklich ernst mit der so oft beschworenen und selten erreichten Interaktion mit dem Publikum. Und das dankte es ihr herzlich. So forderte sie einfach das Publikum auf, auf deutsch zu ihren Samples zu rappen, und tatsächlich bestieg eine mutige Bremerin die Bühne und reimte spontan einen sehr witzigen Gesang. Kinnie Starr genoß es sichtlich, sich so die Show stehlen zu lassen. Eine wirklich ungewöhnliche Performerin. Als zweite Musikerin des abends trat dann Lucie Idlout auf, eine indianische Singer/Songwriterin, die ebenfalls aus Kanada kommt, und sehr düstere Lieder vom harten Leben in den Reservationen singt. Ihr Stimme klang dabei sehr stark und eindrucksvoll. Man spürte die Wut und die Trauer in ihren Liedern, aber ob es nun an den zu konventionellen Rockarrangements der vierköpfigen Band lag oder an der kaum variierten Grundstimmung: Nach einigen Liedern wurde es ein wenig eintönig, und die ZuhörerInnen wanderten zusehens ab. Aber es muß auch schwer sein, nach solch einer Jokerin wie Kinnie Starr aufzutreten.
Wilfried Hippen
Die nächsten Auftritte: Ulali (11.3. Moments, 13.3. Rathaus Stuhr, 14.3. KITO); Amina Alaoui (12.3. Moments, 13.3. KITO), Maria Amelia Proenca / Mafalda Arnauth (17.3. Delmenhorst, Kleines Haus, 18.3 Kulturforum KGS Weyhe-Leeste, 19.3 Moments, 20.3. KITO); jeweils um 20 Uhr
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