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Where is the trick, Sony?

Der Elektronik-Gigant ist mit seinem Latein am Ende und streicht weltweit jede zehnte Stelle. In Deutschland wird die einzige Sony-Fabrik geschlossen: Das könnte 300 Leuten den Job kosten. Die Börse ist begeistert  ■ Aus Tokio André Kunz

Die gesamte Sony-Spitze hatte sich im Stern-Raum des neuen Büroturms Urban-net im Tokioter Bankenviertel versammelt. 12 Spitzenmanager und der Aufsichtsratvorsitzende Norio Ohga hörten Präsident Nobuyuki Idei über die Effizienz amerikanischer Elektronikfirmen wie Intel und Cisco schwärmen. Sie sind heute Vorbild für den japanischen Elektonikgiganten, der seit seinem Bestehen noch nie Leute entlassen mußte und ein Musterknabe für die japanische Managementtradition mit lebenslang garantiertem Arbeitsplatz geworden war.

Die Zeiten garantierter Jobs sind vorbei

Diese Zeiten sind vorbei. Mit dem Slogan „It‘s not a trick – it‘s a Sony“ bewarb der Konzern lange Zeit stolz seine innovativen Produkte. Doch zumindest dem Management gehen nun die innovativen Ideen aus. Die Asienkrise und Japans Rezession machen auch Sony zu schaffen. Innerhalb von vier Jahren will der Konzern deshalb ganz konventionell jede zehnte Stelle streichen. Weltweit werden 15 der heute 70 Produktionswerke geschlossen. Resultat: 17.000 Jobs weniger.

In Deutschland werden das die Konzernangestellten im einzigen Produktionsstandort Stuttgart- Fellbach zu spüren bekommen: Die Fabrik werde zum Jahresende stillgelegt, erklärte gestern ein deutscher Sony-Sprecher in Köln. Betroffen seien 275 bis 300 Leute. Insgesamt beschäftigt Sony 1.200 Angestellte in Deutschland.

Von den einschneidenden Maßnahmen wird vor allem der Bereich der Unterhaltungselektronik betroffen sein. „In Ländern und Regionen, wo zwei Werke dieselben Produkte herstellen, wird eines geschlossen“, erklärte Nobuyuki Idei in Tokio.

Das Ziel der Restrukturierung ist klar. Auch Sony rückt den „Shareholder-Value“ in den Vordergrund und entledigt sich der traditionellen japanischen Unternehmerspflicht, loyale Arbeitnehmer auch in Krisenzeiten zu beschäftigen. Masayoshi Morimoto, Sonys Personalchef, räumte ein, daß soviel Angestellte wie möglich intern umgeschult würden, um Entlassungen zu verhindern. In Japan dürfte der Stellenabbau mit der Beschränkung von Einstellungen sanft betrieben werden. Rauher wird Sony in Südostasien und Südamerika mit den Angestellten umgehen, weil dort am meisten Überlappungen von Produktionsanlagen zu finden sind.

Die Broker in Tokio applaudierten: Die Sony-Aktie gewann am Dienstag um fast 8 Prozent an Wert. Sony-Chef Idei kündigte zugleich an, daß sämtliche Sparten auf ihre langfristige Wertschöpfung durchleuchtet würden. Unrentable Bereiche, wie etwa die Mobiltelefon-Allianz mit Siemens in Deutschland, könnten schon demnächst unters Messer kommen. Zwar wird Sony nach eigenen Angaben nach sechs Jahren im Geschäftsjahr 98/99 erstmals wieder Gewinn machen. Doch ruht nach Expertenschätzungen fast die Hälfte des Gewinns allein auf der Telespiel-Konsole Playstation.

Hinter der aggressiven Kostensenkungsstrategie von Sony steckt ein grundsätzliches Problem in der japanischen Elektronikindustrie: Sie leidet an Überkapazitäten. Sony schreibt in drei Sparten tiefrote Zahlen: in der Halbleiterchips-Produktion, der CDMA- Mobiltelefonie und beiDesktop- Computern.

Auch Sony leidet an Überkapazitäten

Das bewog die Führung, den Elektronikbereich von bisher zehn auf nun drei Gruppen zu trimmen: die klassische Sparte der Fernseh-, Video- und Audiogeräte, die neue Wachstumssparte für Computer, digitale Kameras und Mobiltelefone und die Sparte der Zusatztechnologien wie Computerchips, Batterien und Gerätetreiber.

Straffer wird auch die zentrale Führung werden. Drei kleinere Sparten von Sony sollen zu 100prozentigen Tochterfirmen werden. Dazu gehört Sony Music Entertainment, Sony Chemical und Sony Precision Technology. Dieser Schritt gilt als Vorstufe zur Bildung einer Holdinggesellschaft, die ab nächstem Jahr in Japan erlaubt werden und großen Konzernen Steuervorteile bringen.

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