: Schaumschlagen für die Kunst
■ Fluxus oder Haushaltswarenaustellung? "generalpark.de" auf Kampnagel kann nicht überzeugen, die Maschinen von Nicolas Anatol Baginsky ebendort umso mehr Von Hajo Schiff
Ein nettes rotes Auto träumt davon, John Carpenters „Christine“ zu sein und blinkt und wischt und hupt und hüpft wie von selbst. Ferngesteuerte Bäume suchen liebevolle Freunde und Tanzpartner. Und in deutschen Wohnwagen unter dem Sternenzelt haust das Grauen, das nur darauf wartet, durch Sprüche wie „Eh, Alter, fick dich selbst, du Ratte“ enttarnt zu werden oder durch elektropneumatische Figuren und Tricks in Splatter-Slapstick überführt zu werden. Das alles klingt ganz hübsch und ist im Detail auch hier und da ganz nett. Doch angekündigt als „Maschinen-Soap-Opera der Achtziger, die auf die Überwachungs- und Fernsehkultur der Neunziger Jahre trifft“ stellt sich die aktuelle Gemeinschaftsveranstaltung von Berliner, Bremer und Hamburger Künstlern auf Kampnagel leider als sinnlos zusammengemixte Zeitverschwendung heraus.
Bei der Premiere am Dienstag abend bedienten sage und schreibe zwölf PC-Jockeys die Elektronik, fütterten Video-beamer, regelten die Druckluft und entlockten Regalen voll alter Haushaltsgeräte schöne Maschinenmusik. Doch auch Fluxus ist in die Jahre gekommen und kann eine sehr lustlose Geliebte sein. Auch scheinen ihre zahlreichen jungen Freunde den alten Reizen sowieso nicht mehr zu trauen und verzichteten vorsichtshalber nicht auf Zitate aktueller Musikrhythmen. Auch Schreie und Gelächter kamen gnädig aus dem Lautsprecher, denn live kamen weder Spaß noch Emotionen auf.
Doch traut man den theoretischen Aussagen, ging es ja auch um Kritik an der „Schönen Neuen Welt“, um die „Anpassungsleistung an die zweite Natur der kommenden virtuellen Welt“, wie die für die künstlerische Leitung zuständigen Herren Tom Diekmann und Stefan Doepner verlauten ließen. Vor allem aber ging es wieder einmal darum, daß eben alles irgendwie geht.
Stimmung kam eigentlich erst auf, als die Barsituation auch für Speis und Trank benutzt wurde, einige der Haushaltsgeräte weiter Sound produzierten und die Mixer unfreiwillig abrauchten. Aber laufende Bilder und wandernde Bäume blieben ausgeschaltet und konnten nicht mehr erfreuen. Denn irgendjemand hatte ja vorher das zur Kunst-Performance erklärt, was als Discodekoration so nett gewesen wäre. Hier übte keineswegs der Kunstnachwuchs, vielmehr spielten junge Animateure mit Klischees und bastelten an zeitgemäßem Feierabendde-sign, weitere Fragen bitte ans internet – die Adresse www.generalpark.de wurde während der Performance hinlänglich eingeblendet.
Um aber auf dem gleichen Gelände zu erleben, wie avancierte Technik künstlerisch erfolgreich eingesetzt wird, empfiehlt es sich, lieber Halle K3 aufzusuchen und sich den Spiegelungserfahrungen im Registrierungskabinett von Nicolas Anatol Baginsky auszusetzen: Ein Triptychon von Video- und Datenprojektionen verändert das vertraute Selbstbild und errechnet mit einer speziellen Gesichtserkennungs-Software Idealbilder der Besucher in 70 Kategorien.
„generalpark.de“: Kampnagel, k6, weitere Vorstellungen heute bis Sonnabend, 20 Uhr, Info: www / generalpark.de Nicolas Anatol Baginsky, Narcissism Enterprise: Di – Fr, 18 – 20.30 Uhr; Sa + So, 16 – 20.30 Uhr, Kampnagel, k3, bis 4. April
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