Gegen Angst und Verstellung

■ Der schwule Sportverein „Startschuß“ feiert in diesen Tagen sein fünfjähriges Bestehen / Integration statt Leistungsdenken ist das Ziel Von Jörg Königsdorf

Als Schwuler im Sportverein? Hans Schlifka und Peter Rehders, Vorstandsmitglieder bei Startschuß, schütteln einhellig die Köpfe. „Spätestens wenn man zusammen unter der Dusche steht, bekommen die Heteros Probleme.“ Fälle massiver Diskriminierung seien ihnen zwar nicht bekannt, „aber es wird einem schon recht schnell gezeigt, daß man als Schwuler in einer Hetero-Mannschaft nichts zu suchen hat.“

Fünf Jahre ist es her, daß eine kleine Gruppe sportbegeisterter Schwuler beschloß, sich einen Freiraum zu schaffen, in dem sie nicht dem Dilemma von Verstellung versus Ausgrenzung ausgesetzt sein würden. Die Initiative wurde schnell angenommen: Der Verein zählt mit seinen 330 Mitgliedern und einem breitgefächerten Angebot von klassischen Mannschaftssportarten wie Fußball und Volleyball bis hin zu Fitness oder Selbstverteidigung inzwischen nicht mehr zu den ganz Kleinen innerhalb des Hamburger Sportbundes (HSB). Mit der Akzeptanz durch den Landesverband habe es, anders als in Berlin, nie Probleme gegeben, berichtet Rehders. Die Zusammenarbeit mit den Bezirksämtern – sie sind für die Vergabe der öffentlichen Sporthallen zuständig – klappe im allgemeinen ebenfalls recht gut.

Die Knappheit der zur Verfügung stehenden Hallenzeiten ist ein Grund, weshalb sich Startschuß mit Eigenwerbung zurückhält. „Wir sind soweit ausgelastet, daß wir einen großen Schwung neuer Mitglieder gar nicht versorgen könnten“, erläutert Schlifka. Aus dem selben Grund habe man bisher auch trotz vieler Anfragen keine Schwimmsparte eröffnen können: „Es gibt keine freien Bahnen.“

Die Vorsicht gegenüber öffentlichen, gar schwulenpolitischen Äußerungen oder Aktionen hängt jedoch auch mit der Zielsetzung des Vereins zusammen. „Die Leute, die zu uns kommen, haben nur zwei Gemeinsamkeiten“, erklärt Rehders kategorisch, „sie sind schwul und wollen Sport machen – weiter nichts.“ Man bilde zwar die größte schwule Gruppe in der Hansestadt, verstehe sich aber in erster Linie als Integrationsort für Schwule aller Altersklassen: „Wir sehen uns als ein Stück schwule Infrastruktur, wo es nicht um Sex geht“. Gerade für Jüngere sei Startschuß eine der wenigen Möglichkeiten, außerhalb der Subkultur andere Schwule kennenzulernen und einen Einstieg in das schwule Leben zu finden.

Hans Schlifka, der auch für den schwulen Info-Laden Hein und Fiete in St. Georg tätig ist, weiß jedoch auch von Schwulen zu erzählen, die dem Verein diese betonte Normalität nicht abnehmen wollen: „Viele sind enttäuscht, wenn ich ihnen erkläre, daß es bei uns tatsächlich nur um Sport geht. Neulich hat sogar einer angerufen und gefragt, ob wir nackt spielen würden.“

Etwas anders als die übrigen Vereine ist Startschuß dennoch: „Bei uns herrscht eine entspannte Atmosphäre,“ sagt Rehders. Konkurrenz und Ellenbogenverhalten seien fast gar nicht vorhanden, Leistungsorientierung werde klein geschrieben. „Nur eine der beiden Volleyballmannschaften zieht einen etwas härteren Kurs durch“, schränkt er ein, „die spielen allerdings auch regulär in der Liga und sind deshalb stärker gefordert.“

Der Ehrgeiz erwacht jedoch auch bei den anderen Mannschaften spätestens dann, wenn es gilt, gegen die Heteros zu bestehen. „Die Tatsache, daß man schwul ist, schweißt in solchen Momenten zusammen. Die Situation verlockt natürlich auch dazu, etwas ,schwuler' aufzutreten, als man es normalerweise tun würde.“ Die gegnerischen Hetero-Mannschaften könnten damit aber ganz gut umgehen, „nur wenn sie verlieren, sind sie gekränkt.“ Fast schon legendär ist die 0:7-Schmach, die ein Heten-Team gegen die Startschuß-Fußballer erlitt. „Die wollten anschließend nicht einmal mehr ein Bier mit uns trinken, sondern ließen sich von ihren Freundinnen am Spielfeldrand trösten“, kann sich Rehders noch gut erinnern.

Zwei wichtige Felder der Vereinsarbeit bilden die Sportgruppe mit HIV-Positiven, die von den Krankenkassen mitfinanziert wird, und die regelmäßigen Selbstverteidigungskurse. „Da herrscht die größte Fluktuation,“ erzählt Schlifka, „viele können ihre Hemmungen zuzuschlagen nicht überwinden. Die meisten sind halt von jeher eher Konfliktvermeidung und Weglaufen gewohnt.“

Auch in dieser Hinsicht geht die Arbeit von Startschuß über das rein Sportliche hinaus, denn eine Rückwirkung der erlernten physischen Selbstverteidigung auch auf andere Lebensbereiche ist ein durchaus erwünschter Nebeneffekt. Denn obwohl sich in den letzten Jahren viel in der Akzeptanz gegenüber Schwulen verändert hat, ist es bis zum Erreichen von Normalität ohne Angst und Verstellung noch ein gutes Stück Weg. „Da ist es für viele zumindest anfangs gut, nicht in der Minderheit zu sein“, weiß Schlifka.