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„So hoffnungslos deutsch“

■ Wenig Aufregung um viel: Der Bremer Journalist Arn Strohmeyer sucht mit fast allen Mitteln den Nachweis, daß der Schriftsteller Manfred Hausmann ein Mitläufer des Naziregimes war

Ein Skandal beginnt so: Ein Worpsweder Kunsthistoriker, so munkelt man, darf keine Führungen mehr durch den Ort machen. Grund: Er habe sich Worpswede gegenüber illoyal verhalten, weil er einem Autor dabei behilflich war, ein unschmeichelhaftes Buch über einen berühmten Wahl-Worpsweder zu schreiben. Eine ortsansässige Buchhändlerin, erzählt man weiter, ist unter Druck geraten, weil sie das Buch in ihrem Laden vertreibe. Gegen das Buch laufe gar eine regelrechte Kampagne. Die Verängstigte wage es daher nicht, einen Büchertisch während der Lesung des Autors in Worpswede aufzubauen.

Ein Skandal endet so: Der Kunsthistoriker, wird uns nur kurz darauf erzählt, bestreitet, daß die – kurzfristige – Unterbrechung seiner Tätigkeit als Führer auf seiner Zusammenarbeit mit dem Autor jenes Buches beruht. Und auch die Buchhändlerin fühlt sich nicht unterdrückt. Im Gegenteil: Das Buch habe sich bereits so gut verkauft, daß sie nicht mehr davon ausgegangen sei, während der Lesung noch viele KäuferInnen finden zu können. Also nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas?

Ein Eindruck, der sich aufdrängt. Zumindest dann, wenn man die Bedeutung von Arn Strohmeyers Buch „Der Mitläufer. Manfred Hausmann und der Nationalsozialismus“ vor allem an der Anzahl der dunklen Gestalten bemißt, die sich angeblich oder wirklich, heimlich oder offen, seit der Veröffentlichung vor einigen Wochen darum bemühen, die Verbreitung des Buches zu behindern. Dabei hat Strohmeyers knapp 100seitige Untersuchung über Hausmanns zwielichtiges Verhalten während des Nationalsozialismus derartige skandalisierende Debatten nicht nötig. Denn was der Bremer Autor und Journalist über den 1986 verstorbenen Literaten – einen der wenigen norddeutschen Autoren mit nationaler Bedeutung – zu berichten weiß, ist bemerkenswert genug.

Während des Nationalsozialismus, so die von Hausmann nach 1945 gepflegte Legende, habe er sich in der inneren Emigration befunden. Er habe „stillgehalten“, das Regime „durchmachen müssen“, dabei aber immer Positionen vertreten, derer man sich „nicht schämen mußte“. Mehr noch: Kurz nach Kriegsende beklagt er sich, daß die Deutschen noch immer hoffnungslose Nationalsozialisten seien, in deren Gegenwart sich der seit Mitte der 20er Jahre in Worpswede und Bremen lebende Schriftsteller zunehmend fremd fühle.

1935 hingegen war Hausmanns Gefühlslage noch eine gänzlich andere. So konstatiert er in einem Beitrag für die Saale-Zeitung, seine Bücher seien „hoffnungslos deutsch“, was er damit belegt, daß ihm dies die „weitesten nationalsozialistischen Kreise“ schwarz auf weiß bestätigt hätten. Hausmann entfaltet während der NS-Zeit eine rege publizistische Tätigkeit. Er veröffentlicht regelmäßig in der Goebbels-Postille „Das Reich“, schreibt erbauliche, deutschtümelnde Blut-und-Boden-Prosa und entsetzlich kriegsverherrlichende Artikel, u.a. für Zeitungen, die den Durchhaltewillen der Soldaten an der Front stärken sollen, und verdingt sich als Berichterstatter für die olympischen Spiele 1936 in Berlin, die die Nazis als große Propagandaveranstaltung in eigener Sache inszenieren. In Weimar besucht er freiwillig ein NS-Dichtertreffen, über das er sich in den höchsten Tönen lobend äußert. Von innerer Emigration ist in dieser Biografie nichts zu merken.

All das kann Strohmeyer durch zahlreiche Zitate aus dem Nachlaß des Literaten eindrucksvoll belegen. Am Mitläufertum Manfred Hausmanns, den die deutsche Bundespost im vergangenen Jahr mit einer Briefmarke ehrte, dürften kaum noch Zweifel möglich sein. Daß Hausmann schließlich noch 1970 einen Literaturpreis von der „Deutschlandstiftung“ entgegengenommen hat – wissend, daß hinter diesem Preis sein alter Bekannter Kurt Ziesel stand, Altnazi und Mitbegründer der rechtsextremen Gesellschaft für Freie Publizistik – legt den Verdacht nahe, daß es mit Hausmanns Distanz zum Gedankengut seiner Jugendzeit auch später nicht allzu weit her war.

Ungeachtet dieser Verdienste finden sich in Strohmeyers Buch einige ärgerliche Fehlleistungen. So gelingt dem Autor nicht der im Vorwort vollmundig angekündigte Nachweis, daß Hausmann den nazitreuen „Deutschen Christen“ nahestand. Strohmeyers Urteil, Hausmann habe nach 1945 „seine Biografie (ge)fälscht“, um sich als schuldloser Autor stilisieren zu können, fällt drastischer aus, als es der Befund stützen kann. Und an einigen Stellen finden sich schließlich Mutmaßungen und suggestive Fragen, die Hausmann in die Nähe von nazistischen Ideologien und Vereinigungen rücken, ohne diese Nähe eindeutig belegen zu können.

Diesen Schwächen zum Trotz leistet Arn Strohmeyers Buch jedoch einen gewichtigen Beitrag zur Debatte um den politischen Standort Manfred Hausmanns. In diesem Sinne ist es kein gutes, aber wichtiges Buch. Franco Zotta

P.S.: Nach Auskunft des Verlegers Helmut Donat hat sich die Stadtbibliothek geweigert, die Präsentation des Buches in den eigenen Räumen zu veranstalten. Begründung: Man wolle nicht in denselben Räumen, wo wenige Monate zuvor in Anwesenheit von Bürgermeister Henning Scherf Hausmanns 100. Geburtstag feierlich begangen wurde, ein solches Buch präsentieren. Donat habe in die Villa Ichon ausweichen müssen. Ein Mitarbeiter der Stadtbibliothek sagt auf Nachfrage, es komme sehr häufig vor, daß Buchpräsentationen nicht in ihren Räumen begangen werden – und in der Tat sei es doch komisch, einen Literaten erst zu feiern und kurz darauf an gleicher Stelle zu enttarnen. Wer sagt's denn: Doch noch einen Skandal gefunden!

Arn Strohmeyer: Der Mitläufer. Manfred Hausmann und der Nationalsozialismus, Donat-Verlag, Bremen 1999, 18 Mark

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