: „Spielräume für Reform verengt“
■ Interview mit der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck aus Bremen zum künftigen neuen Staatsbürgerschaftsrecht
Im Mittelpunkt der Geschehnisse um das neue Staatsbürgerschaftsrecht sitzt die Bremer Bundestagsabgeordnete und Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne).
taz: Haben die Grünen mit dem neuen Gesetz nicht eine ziemlich dicke Kröte schlucken müssen?
Marieluise Beck: Es war mit der Hessenwahl klar, daß sich die Spielräume für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts extrem verengt hatten. Die FDP saß über den Bundesrat indirekt mit am Tisch und sie hat sehr deutlich gemacht, daß sie sich im Bereich erleichterte Einbürgerung und der Hinnahme von Mehrstaatlichkeit – im Gegensatz zu meiner Amtsvorgängerin, der FDP-Ausländerbeauftragten Schmalz-Jacobsen – nicht bewegen wollte.
Ein Hauptargument der Grünen – vor allem gegen die konservative Position von Bremens Innensenator Borttscheller – war immer, der Doppelpaß würde die Integration erleichtern.
Integration wird dadurch erleichtert, daß ein Angebot zur Einbürgerung gemacht wird. Daß der hier lebenden ausländischen Bevölkerung klar gezeigt wird: Wir wollen, daß ihr hier bleibt. Das ist das beste Mittel gegen Abschottung. Dabei bleibt es aber ein Problem, wenn der alte Paß abgegeben werden soll. Denn dies ist eine beachtliche Hürde für die Einbürgerung, weil Fragen auftauchen, wie zum Beispiel: Kann man sich noch in seinem Herkunftsland beerdigen lassen? Deswegen wollten wir diese Hürde für die Entscheidung zur Einbürgerung wegräumen. Was uns jetzt vorerst zu tun bleibt, ist zu werben für die Einbürgerung. Immerhin sind die Einbürgerungs-Fristen von 15 auf acht Jahre verkürzt worden. Das ist ebenfalls ein Signal. Dennoch müssen wir leider festhalten: In dem Hauptpunkt, den alten Paß behalten zu können, haben wir uns politisch nicht durchsetzen können.
Innensenator Borttscheller sagt, Integration findet nur statt, wenn sich Ausländer zum neuen Heimatland bekennen.
Zunächst muß man sagen, daß die CDU mit ihrer emotionsgeladenen und spaltenden Kampagne machtpolitisch eine Verschiebung herbeigeführt hat über die veränderten Mehrheitsverhältnisse in Hessen und damit im Bundesrat. Das macht aber den Inhalt der Kampagne nicht richtiger. Es bleibt dabei, daß ein Land, in dem Menschen den Wohlstand seit vielen Jahren mitgestalten durch ihrer Hände Arbeit, diese Menschen einladen muß, dazu zu gehören. Sie sind integriert, wenn sie seit 30 Jahren hier schuften – und das auch zum Wohle der deutschen Bevölkerung. Darum heißt der jetzige Gesetzesentwurf nicht, daß die ursprünglichen Ansätze von Rot und Grün falsch gewesen sind.
Kann das neue Staatsbürgerschaftsrecht bei der Asylrechtsprechung ein neues Klima in Bremen schaffen?
Das neue Staatsbürgerschaftsrecht verschafft den Kindern und Jugendlichen, die hier als Ausländer leben, aber in deutschen Kreißsälen zur Welt kamen, die Option auf einen deutschen Paß. Mit dem Asylrecht hat das aber nichts zu tun. Auch nicht klimatisch. Dafür hat die Unionskampagne das Klima zu sehr verschärft. Sie hat dazu beigetragen, daß die Altfallregelung und die Härtefallregelung für Flüchtlinge und Asylbewerber auf die lange Bank geschoben sind. Andererseits sind der Politik jetzt auch neue Spielräume eröffnet worden, weil es in dem neuen Gesetzentwurf zum Staatsbürgerschaftsrecht heißt, daß in Härtefällen Doppelstaatlichkeit durchaus zulässig ist. Das kann von einer fortschrittlichen Regierung, die Einbürgerung will, positiv genutzt werden. Ich habe Innensenator Borttscheller nicht so verstanden, daß er Einbürgerung forcieren will. Man muß abwarten, was sich in Bremen tut. Und es gibt ja am 6. Juni Wahlen in Bremen. Fragen: Jens Tittmann
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