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Ein Kurde ist nun mal kein Türke –betr.: „Die Nation der Achterbahn“ von Ömer Erzeren, taz vom 6. 3. 99

Wenn denn im osmanischen Vielvölkerstaat Abgrenzungen rein nach Religionszugehörigkeit stattfanden, war es denn nicht auch so, daß es „die Türken“ in diesem Staat gar nicht gab, sondern nur „die Osmanen“? Es sogar bei Strafe verboten war, sich anders zu bezeichnen?

Daß erst im Zeitalter des Risorgimento, mit Entstehung des Nationalbewußtseins in sämtlichen europäischen Ländern und auch bei den Völkern des Osmanischen Reiches, mit der Forderung nach eigenen Staatsterritorien und der folgenden Abspaltung aus den Großreichen (Griechenland, Bulgarien, Serbien usw.) bzw. Vereinigung von Splitterstaaten (Italien, Deutsches Reich) auch erst das türkische Nationalbewußtsein entstand? Das auch und gerade durch die ständige Durchsetzung europäischer Interessen? Ist nicht dann erst die Jungtürkische Bewegung entstanden, Panturkismus und Panturanismus, was schließlich im armenischen Genozid gipfelte? Und gehörte nicht Atatürk selbst zu den Jungtürken?

Warum sollen die Kurden nicht erst jetzt ihre Entwicklung zur Nation durchlaufen? Bei allen Völkern ist das Nationalbewußtsein erst durch Druck entstanden: Druck von außen, durch andere Staaten, Druck von innen durch die Art und Weise, wie Regierungsgewalt ausgeübt wurde usw. Der Vertrag von Sèvres sah bereits 1920 ein autonomes Kurdengebiet vor, ebenso einen armenischen Staat, also eben schon vor den „in den 20er und 30er Jahren blutig niedergeschlagenen kurdischen Aufständen“, die Sie „als Erhebung einzelner Stämme“ bezeichnen. Ist also nicht schon vorher der Beginn eines kurdischen Nationalbewußtseins auszumachen? Kämpft denn immer gleich geschlossen ein ganzes Volk? Auch diejenigen, die passiv blieben, dürften sich wohl nicht gefreut haben, als sie gezwungen wurden, türkische Familiennamen anzunehmen. Mit Lausanne 1923 war es durch die Interessen der Siegermächte endgültig vorbei mit Kurdistan und Armenien. Zurück blieb nur der im Vertrag verankerte „Schutz christlicher Minderheiten“. Von den ethnischen Minderheiten war gar nicht die Rede. Alle Kurden wurden als Muslime betrachtet, obwohl auch das fern der Realität ist. [...] Sie haben Recht: „... als Türken genossen die Kurden die gleichen Rechte.“ Und hier sehe ich auch gar nichts von einem Rechtsstaat, denn ein Kurde ist nun mal kein Türke.

Hat denn die PKK dieses Nationalbewußtsein entscheidend geschaffen? Oder liegen die Ursachen nicht eher beim türkischen Staat? Der PKK wurde von allen Seiten von Anbeginn an zuviel Gewicht beigemessen, solange, bis sie auch unter vorher Abstand wahrenden Kurden Gewicht hatte. Alle politischen, demokratischen Kräfte unter den Kurden wurden aus dem Weg geräumt mit dem Vorwurf, die PKK unterstützt zu haben. [...] Was ist mit Leyla Zana, um sie als repräsentatives Beispiel für eine große Zahl kurdischer Politiker zu nennen? Das Verhalten der internationalen Politik ihr und anderen gegenüber ist fast schon als Aufforderung zu bezeichnen, sich mit Gewalt zu wehren. Und Öcalan nun mit der gesamten kurdischen Frage zu vermischen, ist mir entschieden zuviel. Man hat die „Chance Öcalan“ vertan, Europa muß nun entschieden der Türkei begegnen. Langfristig sollte die EU das Signal an die Türkei geben: Es reicht! Und die Amerikaner? Nun, sie bräuchten nur ein „besseres Inçirlik“, dann könnte die Türkei sehen, wo sie bleibt. Silvana Beer, Hildesheim

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