: Cresson und Wulf-Mathies sind die schwarzen Schafe
■ Der Untersuchungsausschuß des Europaparlaments bestätigt die schweren Korruptionsvorwürfe gegen die französische EU-Kommissarin Edith Cresson und rügt auch ihre deutsche Kollegin Monika Wulf-Mathies in einem Fall von Vetternwirtschaft
Berlin (AP/AFP/taz) – In seinem Bericht zu den Korruptionsvorwürfen gegen die EU-Kommission hat der Rat der Weisen gestern scharfe Kritik an dem Gremium insgesamt wie auch an einzelnen Kommissaren geübt. Im Mittelpunkt der Kritik steht, wie erwartet, die französische EU-Forschungskommissarin Edith Cresson. Hier stellt der Bericht eindeutig fest, daß „die Kommissarin die Verantwortung in einem Fall der Günstlingswirtschaft trägt“. Die Berichterstatter widmen den Affären von Edith Cresson acht Seiten des insgesamt hundertseitigen Berichts.
Entlastet wird der spanische Kommissions-Vizepräsident Manuel Marin. Auch die deutsche Regionalkommissarin Monika Wulf-Mathies wird in einem Fall der Vetternwirtsschaft bezichtigt. Sie hatte dem Mann einer Studienfreundin, einem Arbeitsrechtler aus Hamburg, einen lukrativen Zeitvertrag in ihrer Abteilung verschafft, „unter Anwendung einer ungeeigneten Verfahrensweise“, wie es in dem Bericht heißt. Bis Redaktionsschluß gab es keinerlei Angaben darüber, ob Kommissare oder die Kommission personelle Konsequenzen ziehen. Die Kommission war zu einer Krisensitzung zusammengetreten.
Die Kommission als Ganzes ebenso wie einzelne Kommissare hätten die Kontrolle über die ihnen untergebene EU-Verwaltung verloren, heißt es in dem Dokument. Sie trügen eine „schwere Verantwortung“ für die unangemessene Behandlung der seit Monaten erhobenen Vorwürfe.
In dem Bericht schrieben die Weisen allgemein: „Der Ausschuß hat in keinem Fall festgestellt, daß ein Kommissar direkt und persönlich in betrügerische Aktivitäten verwickelt ist. Indes hat er aber Affären ans Tageslicht gebracht, in denen die Kommissare oder die Kommission als Kollegium die Verantwortung für Betrug, Unregelmäßigkeiten oder Mißmanagement in ihren Dienststellen... tragen.“ Auch funktionierten die Kontrollmechanismen in der Kommission nicht.
Die Rekrutierung des Schwagers von Kommissar Joao Deus de Pinheiro hielt der Ausschuß für fragwürdig. Der Ausschuß fand allerdings keine Beweise für Anschuldigungen gegen die Kommissare Erkki Liikanen, Manuel Marin und Präsident Santer, denen Günstlingswirtschaft vorgeworfen worden war.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Magda Aelvoet, und die deutsche grüne Abgeordnete Edith Müller, die sich intensiv mit den Skandalen befaßt hat, waren sich einig: „Es liegt auf der Hand, daß Frau Cresson zurücktreten muß.“ Cresson hat bislang einen Rücktritt immer entschieden abgelehnt. Für den Fall, daß Santer keine Konsequenzen aus dem Bericht zieht, drohte Aelvoet: „Das Mißtrauensvotum liegt noch immer auf dem Tisch.“
Die Kommission war im EU-Parlament in dieser Affäre im Januar nur knapp einem Mißtrauensvotum entgangen. Santer hatte sich danach persönlich verbürgt, daß aus dem Bericht die Konsequenzen gezogen werden. Er kann allerdings keinen Kommissar zum Rücktritt zwingen. Ein Amtsenthebungsverfahren müßte die Kommission oder der Ministerrat beantragen. Befinden müßte darüber der Europäische Gerichtshof. dw, ci
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