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Die Schönheit des Trugs

■ Der Bremer Constantin Jaxy besiedelt Wände und Decke im Pavillion des Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen

Ein Oval ist ein Oval ist ein Oval. Oder es ist ein Kreis, der von schräg oben betrachtet wurde. Wenn dann neben der perspektivisch verzerrten Sache selbst auch noch ihr Schatten zu sehen ist, und deren Proportionen durch die Projektion an eine schräge Mauer noch mal ein Stück weit verrutscht wurden, geht jede Klarheit darüber verloren, wie denn nun das Ding „in Wahrheit“ aussieht. Jeder Mensch kennt den Schrecken, wenn er mit einem Schatten-Alter-ego konfrontiert wird, das auf irrelangen, spindeldürren Beinen einen klumpigen Wasserkopf trägt. Daß unser Bild von der Welt in etwa so verzerrt und irreführend ist wie der flüchtige Schatten, den eine flackernde Kerze wirft, klagte ja schon Sokrates/Platon in seinem „Höhlengleichnis“.

Ein bißchen zu jener verunsichernden Höhle mutiert ist derzeit der Pavillion des Gerhard-Marcks-Hauses. Schließlich gibt es auch hier wie in einer Höhle kaum mehr die Unterscheidung in Boden, Decke, Wände. Die etwa 30 cm großen, schwarzen Pappe- und Sperrholzobjekte des Ex- und Wieder-Bremers Constantin Jaxy (Jahrgang 1957) nisten gleichmäßig verstreut an allen möglichen und unmöglichen Stellen an Wänden und Decke – wie futuristische Insekten ohne Höhenangst. Jaxy muß als kleiner Bub Modellbauer gewesen sein. Jedenfalls handelt es sich bei seinen „Spurenelementen“ um mal eher organoide, meist aber technoide Skelette. Ihr Formenschatz ist abgeleitet von Brückenkonstruktionen, Hongkonger Hochhäusern, Autobahnschleifen, Bohrtürmen, gotischen Kreuzbögen, Hundemaulkörben und sogar von der lahmen Achterbahn des Bremer Freimarkts.

Aber Jaxy zeigt nur ausschnitthafte Annäherungen. Diese Dinger sehen so aus, als seien sie einem verschollenen Skizzenbuch für Fluggeräte von Leonardo da Vincis entnommen. Oder als würde H. R. Giger erste Entwurfsmodelle für einen neuen Alienfilm basteln. Und immer wirken sie in ihrer Wankelmütigkeit perspektivisch verfremdet. So glaubt der Betrachter, ähnlich wie bei manchen betrügerischen barocken Deckengemälden, tiefe Dreidimensionalität zu sehen, wo in Wahrheit alles ganz flach ist. Das Schattenbild materialisiert sich manchmal in Pappe und Sperrholz.

In einem Katalog des Kunstvereins Speyer, Jaxys bislang nobelstem Ausstellungsort, kann man ganz kleine und ganz große, ganz quadratische und ganz arg gestreckte Gemälde sehen von exaltierten Brückenkonstruktionen und irrwitzigen Autobahnverschlingungen. Die heißen dann seltsam romantizistisch oder melancholisch „Erdkreisel“ und „Endschleife“. Technik kann sein: die zweite Natur, Symbol, schöne Form, unverständlicher Vorgang. Jedenfalls ist sie nicht nur einfach gut oder böse.

In einer Licht-Performance am Vernissagenabend erkundete Jaxy das ökonomische Grundgesetz des geringsten Aufwands. Mit läppischem Küchengerät und Bastelarbeiten zauberte er mittels Drehen und Schattenspielen beeindruckende bakterielle Monstren auf eine Leinwand. Das Trügerische von Platons Schatten muß nicht unbedingt Anlaß zum Klagen sein. Jaxy zeigt, das daraus Schönheit entstehen kann, ganz ähnlich wie ein Haus weiter in der Kunsthalle Otto Piene mit seiner Licht-Schatten-Installation.

Wunderbar trifft sich übrigens die Parallelität mit der Karl-Hartung-Ausstellung im Gerhard-Marcks-Haus. Hartung hat nämlich nicht nur glattgeschmirgelte Frauen fabriziert, sondern auch seltsame Gespinstwesen und architektonische Zeichnungen, die sich mit Jaxy treffen in der Lust an der Verstrebung. bk

bis 2. Mai im Pavillion des Gerhard-Marcks-Hauses

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