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Von blutenden Herzen und gehörnten Gatten

■ Manchmal komisch, manchmal lau – Männer lieben gerne exklusiv: Katharina Thalbach inszenierte im Maxim Gorki Theater John Fords Schauerdrama „Schade, daß sie ein Hure ist“

Der Pater (Markus Völlenklee) versucht noch, dem jungen Mann die geltenden Verkehrsregeln ins Gedächtnis zu rufen – umsonst! Giovanni liebt Annabella, und Annabella ist seine Schwester. Eh noch der Pater Amen sagen kann, sind sie sich in die Arme gefallen, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Sex ist eben kein Kinderspiel. Auch wenn Brüderchen und Schwesterchen das glauben wollen. Und hätte die Amme Putana der kleinen Annabella erzählt, woher die kleinen Jungen und Mädchen kommen, wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. So aber fließt Blut, auch das der Amme. Anfangs schwenkt die frisch deflorierte Annabella (Regine Zimmermann) noch voller Glück das befleckte Lacken. Aber das Lachen vergeht ihr schnell, denn sie ist bald schwanger und muß doch irgendeinen Gockel heiraten. Wo sie doch lieber ewig mit dem Bruder ihre Doktorspiele praktiziert hätte. Und der Gatte, selbst liebeserprobt, will die Braut kreuzigen, als er merkt, daß sie keine Jungfrau mehr ist. Aber vorher schneidet der wilde Bruder (Harald Schrott) ihr lieber das Herz aus der Brust. „Ich, ich, ich, rette dich!“ grölt er mit rollenden Augen und zerreißt das Herz vor den Augen des gehörnten Gatten. Männer lieben eben gerne exklusiv.

Bis dahin hat es schon längst das halbe dramatische Personal von John Fords Schauerdrama „Schade, daß sie eine Hure ist“ dahingerafft, das Katharina Thalbach am Maxim Gorki Theater als fröhliche (und zuweilen etwas längliche) Burleske inszenierte. Erich Frieds Übersetzung der klapprigen Tragödie hatte Thomas Brasch etwas auf die Sprünge geholfen. So richtig geholfen hat das aber nicht.

Auch wenn aus zwei albernen Bewerbern um die Hand der blutschänderischen Annabella ein zweites Liebespaar gedrechselt wurde: zwei klischeejugendliche Vollidioten, die von den physischen Details der Liebe keine Ahnung haben und sich wundern, als einer plötzlich „so voll die merkwürdige Geschwulst am Bauch“ hat. Bergetto (Thomas Schmidt) und Poggio (Andreas Bisowski), der sein Diener ist, kommen immer aus dem Kino oder sind dahin unterwegs. Entdecken zwischen zwei Filmen die Freuden der homosexuellen Liebe und sprechen so, wie sich ein mittelalter Autor die Jugendsprache vorstellt: „Voll kraß, ey, Alter!“ Und so scheppert und schleppt sich das Drama drei Stunden dahin, manchmal komisch, meistens lau. Am Schluß ist der Beifall mäßig. Esther Slevogt

16.3. und 27.3. im Maxim Gorki Theater, jeweils um 19.30 Uhr

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