: Technoterror gegen Telekom?
■ Schnödes Rowdytum oder gezielter Anschlag? Unbekannte zerstörten Telekom-Vermittlungsstelle im Viertel und legten den kompletten Stadtteil mit ganzen 13.000 Anschlüssen lahm / Auch der Notruf 110 funktionierte zeitweise gar nicht mehr
Kein einziges Blatt lag im Fax und nicht mal der Anrufbeantworter blinkte – wie sonst morgens um acht Uhr beim „Fahrradexpress“ in der Bohnenstraße 7. „Komisch“ war das schon, sagt der Express-Mann. Aber selbst als das Telefon eine Stunde lang nicht klingelte, hätten sich die Fahrer keine Sorgen gemacht – erstmal Kaffee getrunken, sich gefreut und Faxen gemacht. Bis dann um neun Uhr die merkwürdige Nachricht im Radio kam: Morgendlicher Ausfall aller 13.000 Viertel-Anschlüsse, die mit der 7 anfangen.
Insgesamt 48 Glasfaserkabel der Telekom lagen zu diesem Zeitpunkt gerade in den Händen aufgeregter Telekom-Techniker. Frühmorgens hatte sie die Nachricht erreicht: Im Fehrfeld 36, der Telekom-Vermittlungsstelle „7“ fürs gesamte Viertel, ist eingebrochen worden. Alle Glasfaserkabel sind durchtrennt, Türen aufgebrochen und Schränke durchwühlt worden. Die Techniker machen sich auf den Weg zum Gebäude, das gegenüber vom „Römer“ liegt. Erst schalten sie den Notruf 110 im Viertel wieder frei. Dann schweißen sie alle Kabel zusammen – und vermelden um zehn Uhr: Der Spuk ist vorbei.
„Bei uns ist eingebrochen worden“, sagt danach ein gefaßter Telekom-Sprecher. Nach Augenschein geschah das gezielt – durch einen Schachtdeckel, der zum Keller führt. Dort lagern die Kabel, die Telefonimpulse ins Viertel und aus dem Viertel heraus weiterleiten. Brachial durchtrennt lagen sie nun gestern morgen alle da. Aber an Spekulationen über einen gezielten Anschlag möchte sich die Telekom „nicht beteiligen“, sagt Günter Spallek.
„Jugendliche Randalierer“ hätten dort gewütet. Dabei brachen sie einen Werkzeugkoffer auf und hätten mit diesem Inhalt auch zugeschlagen: „Wer gezielt plant, bringt so was doch mit. Das war Vandalismus, der eine ganz neue Qualität hat.“
„Brachial“ fand gestern auch der „Chaos Computer Club“ in Berlin, „daß damit ein kompletter Stadtteil kurzzeitig von der Welt abgeschnitten war“, so Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Datenklau sei zwar nicht passiert und auch unmöglich, „weil es sich um ein total aufwendiges Codierungssystem handelt“. Trotzdem sei da ein „Angriff auf öffentliche Infrastruktur“ vorgefallen – wie 1996 am Frankfurter Flughafen. Damals wurden Glasfaserkabel durchtrennt, der Flughafen lahmgelegt – laut Müller-Maguhn aus politische Gründen, um durch „Techno-Terrorismus“ gegen Asyl-Schnellverfahren am Flughafen Alarm zu schlagen.
Doch warum ausgerechnet ein Anschlag im Viertel? Um Diebstähle durch den Notruf-Ausfall zu vertuschen? Um vernetzte Alarmanlagen auszuschalten? „Alles ist möglich, aber alles Mutmaßungen“, sagt dazu Chaos-Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Auch die Bremer Polizei zeigte sich zurückhaltend: „Kein politischer Hintergrund der Tat“, meldete sie erstmal. Hinweise nach vermehrten Straftaten würden noch ermittelt. Nach „erstem Eindruck“ war das Ganze ein „ganz normaler Einbruch“, sagt Polizeisprecher Frank Kunze. Ein Fahrrad wäre schließlich auch abhanden gekommen. „Drogenabhängige“ hätten eventuell nach Wertvollem gesucht. Mit „viel Phantasie“ könnten die Einbrecher gedacht haben, die gelb ummantelten Glasfaserkabel gehörten zu einer Alarmanlage. Von schwerem „Vandalismus“ wie die Telekom wollte Kunze aber nicht reden: Das „Gebäude wurde sauber durchwühlt“, hieß es gestern, allerdings wohl auch mit eigenem Werkzeug.
Mit „höherer Gewalt“ entschuldigte sich jedenfalls gestern erstmal die Telekom bei ihren Kunden. Aber die blieben ohnehin ruhig: Im „Fahrradexpress“ wurden „erstmal die Fenster geputzt“, die Touren später nachgeholt. Die Banken kamen davon, weil sie alle nicht mit einer „7“er Nummer anfangen – bis auf die Türkiye Bankasi, „aber wir haben komischerweise nichts gemerkt und Glück gehabt“. Werbeagenturen warteten brav ab, bis die Datenübertragung gegen zehn wieder klappte. Und das Krankenhaus St. Jürgen Straße vermeldete froh: Kein Notfall, der wegen Telefonausfall zu spät ins Krankenhaus kam.
Hinter verschlossenen Türen aber wird die Telekom jetzt wohl doch noch hart mit sich ins Gericht gehen: Schließlich soll es in der besagten Vermittlungsstelle mit ihrer hochsensiblen Technik keine A-larmanalage geben. Erst als die im Vermittlungsgebäude wohnende „Technikerfamilie“ der Telekom morgens aufstand, erfuhr man von dem Unglück. Eine „interne Abteilung“ werde jetzt die Sicherheitslage „untersuchen“, sagt dazu der Telekom-Sprecher Günter Spallek – und der „Chaos Computer Club“ höhnt: „Aha, Alarmanlage fehlte. Das haben wir ja schon öfter gehört.“ Katja Ubben
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