piwik no script img

Wie Bremen bis 2004 saniert wird

■ Der Abteilungsleiter beim Finanzsenator stellte die Finanzplanung für die Sanierung vor: Sechs Jahre Nullwachstum bei allen Ausgaben – inklusive Gehälter

Im Rahmen eines Workshops der Hochschule für Öffentliche Verwaltung hat der für die Haushaltsplanung zuständige Abteilungsleiter des Finanzsenators, Uwe Färber, gestern zum ersten Mal öffentlich über die Prognosen für die Sanierung der bremischen Staatsfinanzen bis zum Jahre 2004 geredet. „Man gibt Bremen eine zweite (letzte) Chance“, formulierte Färber, ab dem Jahre 2005 – das hat die Bundesregierung klar gesagt – wird es keine weiteren Hilfen mehr geben: Dann muß ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt werden, in dem es Neuverschuldung nur für Investitionen geben darf.

Seit Jahren sind in diesem Sinne die bremischen Haushalte nicht „verfassungskonform“, nach dem bisherigen Stand der Bilanzierung hat es im Jahr 1998 ein „strukturelles Defizit“ von 2,038 Milliarden Mark gegeben – bei einem Landeshaushalt von 7,9 Milliarden also eine Überziehung von mehr als 25 Prozent. Im Haushalt 2005 darf es „nur“ noch ein strukturelles Defizit von 900 Millionen geben, wenn die Sanierung als gelungen gelten soll, denn 900 Millionen ist die Summe „eigenfinanzierter Investitionen“, die auch nach 2004 aus neuen Krediten finanziert werden darf.

Ein Abbau der Schulden, die offiziell derzeit mit 16,6 Milliarden Mark angegeben werden, wird es nach der vorläufigen Finanzplanung dabei nicht geben: Für 2004 rechnet der zuständige Abteilungsleiter mit 17,4 Milliarden Schulden. Damit würde die Summe ziemlich genau das Niveau des Sanierungsbeginns erreichen, 1993 waren es 17,3 Milliarden.

Um das „strukturelle Defizit“, das Jahr für Jahr im bremischen Haushalt besteht, schrittweise um 1,1 Milliarden zu reduzieren (das sind 14 Prozent des Ausgaben-Volumens), muß nach Färber zweierlei passieren: Über den gesamten Zeitraum muß es ein durchschnittliches Wachstum der effektiven Steuer-Einnahmen (nach Länderfinanzausgleich) um jährlich 2,4 Prozent geben. Diese Zahl entspricht bundesweiten Prognosen; in den letzten zehn Jahren gab es zwar in Bremen keinerlei Wachstum bei den effektiven Steuereinnahmen, in dem Zeitraum 1980-1990 aber war es ein Wachstum in der Größenordnung dieser 2,4 Prozent. Die Annahme ist also nicht von vornherein unrealistisch – allerdings gab es zwischen 1980 und 1990 ein Ausgabenwachstum, das das Einnahmenwachstum deutlich überstieg. Die zweite Bedingung für das gelingen der Sanierung also, daß es über sechs Jahre keinerlei Steigerung bei den Ausgaben geben darf. Jede Tariferhöhung und jede Sozialhilfe-Anpassung an die Inflationsrate müßte durch Ein-sparungen kompensiert werden.

Das Finanzsressort hat bisher kein neues Modell vorgelegt, welche Wirtschaftswachstumsraten und welche Einwohner-Entwicklungen die unterstellte Steigerung des effektiven Steueraufkommens unterstellt; von der Vorstellung, die Einwohnerzahlen könnten sich steigern lassen, geht Färber alledings nicht mehr aus.

Während Angelina Sörgel von der Arbeiterkammer ein flammendes Plädoyer für die Wirtschaftspolitik der großen Koalition hielt und meinte, es sei „schwiegig, die Effekte von Wirtschaftspolitik genau zu quantifizieren“, lehnte der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel die Erfolgsmeldungen über vergleichsweise gutes Wirtschaftswachstum als „blödsinnig und kleinkariert“ ab. Hickel sieht Bremen „mehr denn je bedroht“, ein Nullwachstum über sechs Jahre bei den öffentlichen Ausgaben hält er für kaum vorstellbar. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen