: Trouble im Lichtenberger Plattenbau
■ Mieter wehren sich gegen Sanierungsmaßnahmen. Kritik an fehlender Planungstransparenz und übertriebener Mieterhöhung
Eine Erneuerung kann den Häusern in der Rudolf-Seiffert- Straße in Lichtenberg dem Augenschein nach nicht schaden: Mieter berichten von kaputten Fenstern, und graue Fassaden schaffen nicht gerade eine freundliche Wohnatmosphäre. Doch die von der Prima Wohnbauten GmbH geplante Sanierung von über 2.000 Wohnungen sorgt für Ärger im Plattenbauareal nahe der Storkower Straße: Der Mieterverein warf der Prima GmbH gestern eine „Sanierung auf dem Rücken der Mieter“ vor.
Den Mietern ist vor allem das fehlende Mitspracherecht sowie mangelnde Transparenz bei den Finanzen ein Dorn im Auge. „Die Prima setzt uns die Pistole auf die Brust!“ kritisiert die Rentnerin Ruth Rogée. Viele Betroffene fühlten sich „gereizt, frustriert, provoziert“. Mitte Dezember erhielten die Mieter ein Formular, mit dem sie qua Unterschrift ihr Einverständnis mit den Modernisierungsmaßnahmen und der daraus resultierenden Mieterhöhung erklären sollten. Die Betroffenen forderten daraufhin Einsicht in die Planungen und Mitspracherecht bei den baulichen Veränderungen – schließlich müssen sie diese hinterher bezahlen.
„Die Prima stellte die Mieter daraufhin vor die Alternative, zu unterschreiben oder auf jegliche Modernisierungsmaßnahmen zu verzichten“, faßt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, zusammen. Er bemängelt „überhöhte Sanierungspreise“ – die Kosten liegen nach Angaben des IHK-Sachverständigen Manfred Specht um bis zu 97 Prozent über den Vergleichswerten. Insbesondere der bewirkte Energiespareffekt ist umstritten: Die Prima spricht von einem Einsparungseffekt von 90 Pfennig pro Quadratmeter, 200 Prozent davon dürfen auf die Miete umgelegt werden. Mieterin Ruth Rogée berichtet dagegen, daß die durchschnittlichen Heizkosten im Gebäudeblock bisher bei nur 92 Pfennig bis einer Mark lagen.
„Dieses Vorgehen ist in Berlin bisher einmalig“, so Hartmann Vetter vom Mieterverein. Die Prima hatte im Juni 1997 als sogenannter Zwischenerwerber knapp 5.000 Wohnungen von der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg gekauft (WBL) gekauft. Die WBL ist selbst Gesellschafterin der Prima. Anfallende Kosten für Leerstand trägt laut Angaben des Mietervereins die WBL.
Bauleiter Curt von Goßler von der Prima weist die Vorwürfe zurück. „Das Verfahren ist legal.“ Die Planungen seien von namhaften Großbanken geprüft worden. Eine Einbeziehung der Mieter sei allerdings nicht möglich, da diese die Finanzierungszusagen gefährden würde. Einer Einladung zur Diskussion über das Vorgehen sei man nicht nachgekommen, „um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen“.
Der Mieterverein fordert nun WBL und Senat auf, auf eine Änderung der Geschäftspolitik hinzuwirken. Sollte es zu keinem Kompromiß kommen, wollen die Mieter vor Gericht ziehen. Andreas Spannbauer
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