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Gladbeck ist immer noch

■ ... „Ein großes Ding“(Teil 1, 20.45 Uhr, Arte)

„Ein Fernsehspiel nach dem Gladbecker Geiseldrama“ bereite Bernd Schadewald vor, verkündete das ZDF ungefragt im Dezember 1997 über den mehrfach Grimme-Preis-gekrönten Regisseur und Autor. Bei Beginn der Dreharbeiten im Mai darauf beeilte sich der Sender per Extrameldung zu dementieren. Es gebe nur „einzelne unvermeidbare Übereinstimmungen“. Jetzt, da der Film gesendet wird, will das Stichwort „Gladbeck“ niemand mehr beim ZDF in den Mund nehmen. Kein Wunder, „Gladbeck“ ist medienmäßig, und was die Polizei betrifft, auch nach zehn Jahren noch ein heißes Eisen.

Aber was hat Schadewald nun tatsächlich gemacht? Er zeigt „Gladbeck“ exemplarisch an Schauplätzen in Hamburg-Harburg und Münster und läßt gleich eingangs wissen, „Handlung und Personen“ seien „frei gestaltet“. Richy Müller und Jürgen Vogel geben die kaputten Täter des Geiseldramas als Menschen aus Fleisch und Blut. Genauso Fiona Coors und eine fragil-starke Katja Flint die Opfer im Wechselbad von Ängsten, Notgemeinschaftseuphorie, Mut und Leid. Die omnipräsenten Medien läßt Schadewald quasi von sich selbst spielen, benutzt ihre Mittel durch geschickte Schnitte und Überblendungen zur Verfremdung wie zum Informationstransport. Die Sondereinsatzleiter, die den Grundsatz, vorrangig das Leben der Geiseln zu schützen, über Bord werfen, bündelt Schadewald zum besseren Verständnis in nur einer Person (Walter Kreye).

Was erzählt wird, ist – filmisch „verdichtet“ (Schadewald) –, was passierte: Um acht Uhr früh wollen zwei kleine Proll-Ganoven eine Bank ausrauben, kommen aber nicht an das Geld. Sie bemächtigen sich zweier Bankangestellter, als draußen die Polizei groß auffährt, dazu eine schnell wachsende Meute von Sensationsreportern. Die Polizei taktiert herum, Gaffer laufen auf, Blitzlichter gewittern, Kameras und Mikros sind live auf Sendung. Aus dem vergleichsweise kleinen Ding mutiert ein monströses. Es folgt eine 54 Stunden lange aberwitzige Verfolgungsjagd durch die Republik. Sie gipfelt in einem Blutbad, als schwer bewaffnete SEKler auf der Autobahn wild auf das Gangsterauto mit den Geiseln ballern. Eineinhalb Filmlängen wären für all das optimal gewesen. Bei Schadewald wurde ein (über-)großes Doppelding daraus. Ulla Küspert

Teil 2 morgen, 20.45 Uhr, Arte; Wdh. Mo. und Di., 20.15 Uhr, ZDF

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