: Rücktritt perfekt: Briefe von Oskar
■ Warum der postalisch zurückgetretene Finanzminister noch bis gestern im Amt war
Berlin (taz) – Gestern hat Bundespräsident Roman Herzog dem ehemaligen Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) die Entlassungsurkunde überreicht. Erst mit der Übergabe dieser Urkunde im Berliner Schloß Bellevue, kurz nach 14 Uhr, endete formell die Amtszeit Lafontaines.
Der glaubte seine politische Karriere allerdings schon seit Donnerstag vor einer Woche abgeschlossen. Lafontaine leitete dieses Ende bekanntlich selbst ein: Er schrieb drei Briefe. Der SPD teilte ihr Vorsitzender mit, er wolle dieses Amt nicht länger bekleiden. Dem Präsidenten des Bundestages, Wolfgang Thierse, schrieb Lafontaine, er lege sein Abgeordnetenmandat nieder. Schröder hatte schon am Nachmittag entsetzt die dürren Zeilen lesen müssen, mit denen der selbsternannte Weltökonom seinem Kanzler mitteilte, er stünde als Finanzminister nicht länger zur Verfügung.
In den nächsten Tagen war Lafontaine für niemanden zu erreichen. Nicht nur mit Journalisten und engen Mitarbeitern, sondern auch mit dem Bundeskanzler verweigerte Lafontaine jede Kommunikation. Er sei nun „Privatmann“ und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Er irrte.
Im Statut der SPD steht zwar, ein „Funktionär“ verliert sein Amt durch „Niederlegung“. Hier reicht wohl wirklich ein Briefchen. Ein Bundestagsmandat kann auch Lafontaine hingegen eigentlich nicht einfach per Post niederlegen, sondern muß laut Bundeswahlgesetz „zur Niederschrift des Präsidenten des deutschen Bundestages, eines deutschen Notars ... oder eines Bediensteten einer deutschen Auslandsvertretung“ erklärt werden. Minister ist man so lange, bis man die Entlassungsurkunde vom Bundespräsidenten bekommen hat. Um seinen Rücktritt kann ein Minister strenggenommen nur bitten.
„Ein Sozialdemokrat flieht nicht aus Ämtern“, hatte Gerhard Glogowki, Ministerpräsident von Niedersachsen und Schröder-Vertrauter, nach Lafontaines Rücktritt spontan geschimpft. Der Irrtum, man könne sich einer leid gewordene Ministerwürde auf dem Postweg entledigen, sei symptomatisch für das rein instrumentelle Verhältnis der Generation Lafontaines gegenüber öffentlichen Ämtern, unkten Konservative in Bonn. Mancher am Rhein macht sich aber auch ganz profane Sorgen um den Privatmann von der Saar: „Wenn man als SPD-Minister zurücktritt, muß man dann eigentlich auch die Blondine zurückgeben?“ Robin Alexander
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