Trauer und Gewalt in Nordirland

■ Tausende wohnten gestern der Beisetzung der ermordeten Anwältin Rosemary Nelson bei - in einer Atmosphäre wachsender Gewalt und Unstimmigkeiten innerhalb der Unionisten

Washington/Portadown (AFP/ AP/taz) – Begleitet von zunehmender Gewalt in Nordirland ist gestern die ermordete Anwältin Rosemary Nelson beigesetzt worden. Tausende von Menschen, darunter die drei Kinder der Anwältin und deren Schulkameraden, schlossen sich der emotionsgeladenen Zeremonie an und nahmen an der Prozession durch die Stadt Lurgan teil, die auch an einer mit schwarzen Fahnen geschmückten katholischen Wohnsiedlung vorbeiführte. Auch die Präsidentin und der Außenminister der Republik Irland und die führenden Richter Nordirlands wohnten dem Trauergottesdienst bei. Die britische Regierung war nur durch einen Staatssekretär vertreten. Aus Solidarität blieben gestern Nordirlands Gerichte geschlossen.

Bei der Trauerzeremonie forderte Pfarrer Kieran McPartlan eine unabhängige Untersuchung. Irlands Präsidentin Mary McAleese sagte bei einem Treffen mit Diplomaten vor der Trauerfeier, der Mord sei das Werk „dunkler Kräfte“, die den Friedensprozeß aufhalten wollten.

Nelson, eine prominente Verteidigerin von Katholiken in Nordirland, war am Montag mit einer vermutlich von radikalen Protestanten gelegten Autobombe getötet worden. Katholiken machen die protestantisch beherrschte nordirische Polizei RUC für den Mord mitverantwortlich.

Einige Trauernde trugen sichtbare Zeichen der Straßenschlachten der vorhergegangen Nacht in der nahen Stadt Portadown, wo Rosemary Nelson als Sprecherin für die katholischen Anwohner der umstrittenen Garvaghy Road im Protest gegen protestantische Orden berühmt geworden war. Aufgebrachte Demonstranten beider Seiten lieferten sich in der Nacht zum Donnerstag eine Straßenschlacht. Die Polizei feuerte Gummigeschosse auf die zum Teil maskierten Demonstranten ab, als sie versuchte, die verfeindeten Gruppen zu trennen. Als die Polizei mit Mannschaftswagen zwischen die verfeindeten Reihen ging, wurde sie von den Katholiken mit Brandsätzen und Steinen beworfen. Dutzende Menschen wurden verletzt. Auf der Garvaghy Road zogen Banden von Jugendlichen umher und zündeten Autos an. Erst nach längerer Zeit wurden die Sicherheitskräfte Herr der Lage.

Der Mord führt auch zu Spannungen innerhalb des protestantischen Lagers. Ein führender protestantischer Extremist, der mit der für den Mord verantwortlichen Splittergruppe „Red Hand Defenders“ verbunden sein soll und erst am Montag aus dem Gefängnis entlassen worden war, wurde am Mittwoch von der führenden bewaffneten protestantischen Gruppe „Ulster Volunteer Force“ (UVF) getötet. Die UVF unterstützt ansonsten den Friedensprozeß und hält sich an den geltenden Waffenstillstand.

In den USA blieben unterdessen Vermittlungsversuche von Präsident Bill Clinton ergebnislos. Clinton hatte anläßlich des irischen Nationalfeiertages am Mittwoch mit den führenden nordirischen Politikern gesprochen. Die Gespräche werden fortgesetzt. D.J.