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Pedersen – das Fahrrad für Persönlichkeiten

■ Unvergängliche Fahrräder, Folge eins: 21 stabile Dreiecke und eine weiche Hängematte bilden die Grundlage für einen fahrbaren Untersatz, der immer für Aufsehen sorgt

Wie das Rad, so der Mensch. Gerold Janssen jedenfalls, einer der umtriebigsten Naturschützer Norddeutschlands, will seinen mobilen Hochsitz einfach nicht mehr missen. Seit acht Jahren fährt er sein Pedersen, und es fing an mit einer Obsession auf den ersten Blick: „Ich sah dieses Fahrrad irgendwo in der Stadt und war sofort wie versessen. Mindestens eine Viertelstunde habe ich auf den Besitzer gewartet, um ihn dann mit Fragen zu löchern.“

Ein Pedersen fällt halt auf, und sein Fahrer sollte damit umgehen können. Für Gerold Janssen kein Problem. Mittlerweile 75 Jahre alt, ist er immer noch der ökologische Hansdampf in allen Gassen. Wenn in den Bremer Naturschutzgebieten mal wieder die Bagger anrollen, ist der ehemalige Deichhauptmann ganz bestimmt eher da. Für so einen ist das Pedersen das kongeniale Fahrrad. „Es ist was Besonderes, überall, wo ich damit auftauche, weiß man, hier kommt Gerold Janssen.“

Ein außergewöhnliches Fahrrad zu konstruieren, war das Anliegen des Dänen Mikael Pedersen, des Ingenieurs, dem wir auch die Milchzentrifuge zu verdanken haben. 1893 meldete er seinen Prototypen, bei dem er sich streng an die Gesetze des Hängebrückenbaus gehalten hatte, zum Patent an. Dem damals schon verbreiteten Diamant-Rahmen – bis heute ein Glaubensbekenntnis der Fahrradindustrie – traute er nicht allzuviel zu. Er setzte ausschließlich auf die trianguläre Form, sie gilt als die stabilste überhaupt. Bis heute besteht ein Pedersen aus 21 geschlossenen Dreiecken, sofern man die der Gabel und die Abspannungen am Hinterrad mitzählt. Dadurch sollen auf das Gestänge nur Zug- und Druckkräfte wirken, jedoch keine Biege- und Torsionskräfte. Statiker werden wissen, was gemeint ist.

Der Clou indes ist der weit oben aufgehängte Hammock-Ledersattel. Kalle Kalkhoff, deutscher Generalimporteur der dänischen Pedersen-Rahmen, gibt zu, daß die leicht schaukelnde Hängematte anfangs irritiert: „Drei Tage braucht man schon, um sich daran zu gewöhnen.“ Doch danach wolle man gar nicht mehr raus. „Gerade für Rückengeschädigte, die aufrecht sitzen müssen, ist das Pedersen ideal.“ Auch Gerold Janssen lobt dessen Fahreigenschaften: „Man sitzt sehr sicher, der Sattel ist der verlängerte Hintern.“

Überlieferte Rahmenkonstruktion und Hammock-Sattel sind für Kalkhoff sakrosankt. Ansonsten läßt er verbauen, was zum heutigen Bike-High-Tech zählt: Ketten- und Nabenschaltungen von Shimano und Sachs-Sram, Halogenscheinwerfer und Rücklicht mit Standlichtfunktion, Cantilever-Bremsen. Der Rahmen wird mit umweltfreundlicher Pulverbeschichtung belegt, wenn's gefällt, auch im täuschend echt aussehenden Bambus-Look. Selbst Holzausstattung (Felgen, Reifenschoner etc.) ist machbar – für etwa 4.200 Mark. Die Standardversion mit 21gängiger Ketten-Naben-Schaltung ist ungefähr 900 Mark billiger. Pedersen-Fans schwören, daß jeder Preis gerechtfertigt ist.

Daß es überhaupt wieder eine wachsende Pedersen-Gemeinde gibt, ist Jesper Solling zu verdanken. Der Rahmenbauer stieß vor gut 20 Jahren auf einige altertümliche Pedersen-Modelle, ihre massenhafte Produktion war bereits vor langer Zeit eingestellt worden. Seitdem kümmert sich Solling um die Traditionspflege, zuerst im Kopenhagener Christiania, jetzt produziert er im größeren Stil in Ebeltoft. 150 seiner Rahmen gehen jährlich an Kalle Kalkhoff, der sich nicht nur als Großhändler, sondern auch – wie Solling – als Liebhaber versteht. Doch ein Pedersen sei nicht nur eine emotionale Angelegenheit, meint der Händler: „Es ist ein praktisches, ein schnelles und auch ein überaus tourentaugliches Fahrrad.“ Vor drei Jahren ist er mit seiner Frau auf einer vollbeladenen Tandemversion über die Alpen nach Italien geradelt: „Einfach wunderbar.“

Auch Gerold Janssen ist auf seinem Liebling schon weit herumgekommen. Und dort wie hier – er und sein Pedersen waren nicht zu übersehen. „Überall, wo ich auftauchte, stand ich im Mittelpunkt. Auf Teneriffa zum Beispiel mußte ich mir um ein Quartier nie Sorgen machen. Wer auf einem Pedersen daherkommt, hat sofort Kontakt zu den Menschen und kriegt die besten Informationen.“ Marcel Mannitzky

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