Quelle schließt Schöpflin endgültig

■ Das Versandhaus wird vom Mutterkonzern geschlossen – trotz Kirchen- und Arbeiterprotest

Lörrach (taz) – Nicht einmal der Segen von oben hat am Schluß noch was genützt. Da hatten die örtlichen Pfarrer zum Boykott von Quelle-Produkten aufgerufen, wollten eine bundesweite Postkarten-Protestaktion auf die Beine stellen – doch vergebens. Das traditionsreiche Versandhaus Schöpflin im südbadischen Lörrach schließt seine Pforten. Nur 119 Arbeitnehmer der 900 Beschäftigten werden in anderen Industriezweigen unterkommen, für die restlichen sorgt jetzt ein Sozialplan.

Dabei sah es so aus, als wäre die Sache noch nicht ganz verloren. Nachdem die Pfarrer beider Konfessionen ihre Karten in Umlauf gebracht hatten, bekam es die Geschäftsleitung mit der Angst zu tun. Sie rief ihre Mitarbeiter zum kollektiven Kirchenaustritt auf, sprach bei den zuständigen Bischöfen vor, und hoffte, eine bischöfliche Rüge brächte die aufgebrachten Seelsorger zur Räson.

Beide Bischöfe, Oskar Saier vom katholischen Erzbistum Freiburg und Ulrich Fischer von der evangelischen Landeskirche in Karlsruhe, deckten aber die Präventiv-Seelsorge ihrer Pfarrer vor Ort. Ulrich Fischer kam sogar persönlich vorbei, um in Lörrach Rede und Antwort zu stehen.

Doch alle Durchhalteparolen halfen nichts. Wenn die Tore im August nun endgültig geschlossen werden, ist dies das Ende einer über 90 Jahre alten Unternehmensgeschichte. Die Besitzerin von Schöpflin, der Versandhausriese Quelle Schickedanz, blieb hart. Hans-Jürgen Obermeier, Betriebsratsvorsitzender, hatte für sich die Sache schon aufgegeben. „Wohin sollen wir uns denn noch bewegen?“ fragte der gelernte Maschinenschlosser. „Daß Quelle uns nicht einen Schritt entgegenkommen ist, zeigt doch, daß nicht Sanierung, sondern nur noch Abwicklung auf dem Plan des Unternehmens stand.“

Dabei haben die Beschäftigten jede Menge Zugeständnisse gemacht. Flexible Arbeitszeiten, anscheinend ein absolutes Muß für den Erhalt des Standortes Deutschland – bei Schöpflin in Lörrach gab es sie längst. Und damit entfiel eine Überstundenvergütung. Überstunden, die pikanterweise im Januar, als das endgültige Aus wegen angeblicher mangelnder Wirtschaftlichkeit schon feststand, von der Geschäftsführung gefordert wurden. Gearbeitet wurde seit vergangenem Jahr sowieso nur noch 32 Sunden pro Woche – ohne Lohnausgleich.

Wie geht es jetzt weiter? Arbeitsplätze sind Mangelware in der Grenzregion zur Schweiz. Die Region ist geprägt vom Zusammenbruch der Textilindustrie, ihrer einstigen wirtschaftlichen Stärke. Hier rächt sich eine Monopolisierung aus dem letzten Jahrhundert.

Daß es dem Solidaritätskreis zur Erhaltung der Arbeitsplätze bei Schöpflin in erster Linie um die hiesigen Arbeitnehmer geht und ihm diejenigen in Leipzig egal sind, ist nur zu verständlich. Dort baute Quelle ein hochmodernes Logistikzentrum mit, wie es aus gut informierten Kreisen heißt, Subventionen in einer dreistelligen Millionenhöhe, zog Arbeiten aus Lörrach ab, beließ das Personal hier und verwies dann auf den unrentablen Standort. Statt 3.500 in Lörrach entstanden bei Leipzig gerade einmal die Hälfte.

Das Konzept zur Sanierung war da. Der Heilbronner Unternehmensberater Andreas Budde legte ein Sanierungskonzept vor, das Wege aufzeichnete, wie Schöpflin zu halten sei. Die Fürther redeten nicht einmal darüber, obwohl sich der Betriebsrat ausdrücklich keinen Gutachter aus seiner Ecke gesucht hatte. Budde wurde von Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Blum (CDU) empfohlen. Er ist Kenner der örtlichen Industrie. „Natürlich waren seine Thesen ein wenig blutleer,“ meinte Hans-Jürgen Obermeier, „hätten sie beide Seiten etwas mit Leben gefüllt, hätten sie Diskussionsgrundlage sein können.“

Jahrelang war Schöpflin Versuchsballon für neue Trends bei Quelle. Ob Quelles Konzept gegen den mächtigen Konkurrenten Otto Versand aus Hamburg das richtige ist, wird sich erst noch zeigen. Schöpflin hatte mit seinen Produkten jedenfalls die Nase immer im Wind. Martina Wenk