: Rubbelig und feinfruchtig
Der „Finkenwerder Herbstprinz“: Eine alte Hamburger Apfelsorte erlebt im Bioladen eine kleine, aber feine Renaissance ■ Von Volker Stahl
Der „Finkenwerder Herbstprinz“ ist ein später Gast. Kurz vor Frühlingsbeginn taucht er im Sortiment der Hamburger Naturkostläden auf. Seine schönste Genußreife entwickelt diese Baumfrucht nämlich erst, wenn die Krokusse bereits blühen und die Natur nach einer ausgedehnten Winterpause wieder zu leben beginnt.
Die ungewöhnliche Apfelsorte entstammt, wie der Name schon vermuten läßt, der Hamburger Elbinsel Finkenwerder. Dort ist sie um 1860 als sogenannter Zufallssämling entstanden. Lange Zeit war der „Finkenwerder“ in Norddeutschland als Tafel-, Most- oder Backobst weit verbreitet – bis veränderte Handelsgewohnheiten und günstige Transportwege ihm mit Neuzüchtungen starke Konkurrenz bescherten. Heute ist der alte „Finkenwerder“ Apfel aus dem Angebot der hiesigen Obstbauern fast verschwunden. Dieses Schicksal teilt er mit anderen alten Apfelsorten wie dem „Horneburger“ oder dem „Altländer Pannkoken“.
Allein seiner Ertragssicherheit und der geringen Anfälligkeit für Krankheiten ist es zu verdanken, daß der Apfel sich überhaupt bis in die 80er Jahre hinein im Alten Land gegen die hochglanzpolierte Konkurrenz behaupten konnte. Doch auch im größten Obstanbaugebiet Deutschlands richtete sich der Trend bald gegen den Apfel mit seinem spröden Charme, und der Mainstream begann das Sortiment zu diktieren. Heute hingegen erlebt der „Finkenwerder“ eine kleine, aber feine Renaissance.
Und zwar auf kontrolliert biologische Weise. Im Alten Land und im nördlich von Stade gelegenen Kehdingen wird er von einigen Landwirten wieder produziert. „Bei Äppeln bin ich Traditionalist“, sagt etwa Enno Stapelfeld, Biobauer und Obsthändler aus dem Kehdinger Land. „Ich möchte helfen, diese ebenso leckere wie seltene Sorte zu erhalten.“
Stapelfelds Lieblingsapfel verbucht nur wenige Transportkilometer in seiner ausgezeichneten Ökobilanz. Außerdem ist der robuste Gaumenfreund gut lagerbar. „Das ist ein Apfel der kurzen Wege und eines der wenigen unverwechselbaren Produkte der Region“, meint auch Bio-Landwirt Hermann Hottendorf aus dem niedersächsischen Hüll, der den „Finkenwerder“ in großen Mengen produziert.
Der Apfel, der wohl in keinem Supermarkt zu finden ist, schmeckt feinfruchtig bis mildwürzig und ist sehr erfrischend, wie selbst Experten dem etwas „rubbelig“ aussehenden Prinzen immer wieder attestieren. Wer sich nicht nur Äpfel aus Neuseeland oder Südtirol, sondern auch mal einen „Finkenwerder“ gönnt, der hilft mit, daß eine der wenigen ortstypischen Obst-sorten erhalten bleibt.
Kontakt: Obsthof Stapelfeld, Aschhorn 8, 21706 Drochtersen, Tel.: 04143/7055
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