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Magnet Kopfschmerz

■ Bremer wollten Patienten-Therapeuten-Vereinigung gründen / Der Infobedarf von Betroffenen ist riesig groß / Kommt jetzt der Kunden- und Patientenfang?

Das Park-Hotel war am Wochenende gerappelt voll. Stühle mußten herbeigeschleppt und Platz gemacht werden: Das „Schmerzzentrum im Roten Kreuz Krankenhaus“ (RKK) hatte Interessierte zur Patienteninformation geladen. Und das angekündigte Thema „Kopfschmerzen“ zog wahre Massen an: Offenbar suchen immer mehr Betroffene händeringend nach Hilfe und Beratung.

Diesen steigenden Bedarf hat der einladende Chefarzt Professor Gholam Sehati-Chafai jedenfalls erkannt: Der Mediziner vom RKK lud jetzt zu einer ganz neuen Gründungsversammlung. Patienten und Therapeuten sollten sich in Bremen zu einer „Deutschen Migräne-Kopfschmerz-Vereinigung“ vereinigen – um dann bundesweit Beratungszentren zu gründen, die Experten vermitteln. Die Vereinigung sollte das „beiderseitige Interesse mehr als bisher vereinigen“.

Aber diese Idee kam bei den eingeladenen Vereinen und Fachgesellschaften nicht durchweg gut an: Man vertagte die Gründung auf unbestimmte Zeit. Schließlich gebe es doch seit 20 Jahren die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), meinten einige – und zudem diverse Selbsthilfevereine, die im Grunde genau dieselben Angebote vorhalten. Es mache deshalb keinen Sinn, neue Vereinigungen aus der Taufe zu heben – gleichwohl gebe es „Handlungsbedarf“, macht zum Beispiel der ehemalige Vizepräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Dr. Hartmut Göbel, klar.

Viele Patienten seien schlichtweg „unzufrieden“ bei der Suche nach fachkundlicher Beratung, meint der Mediziner. Erst seit zwei Jahren könnten sich Mediziner nämlich in „Schmerztherapie“ fortbilden lassen – doch diese Zusatzqualifikation sei nirgends verzeichnet. Kassen und Ärztekammern sollten deshalb dafür sorgen, endlich ein zentrales Register über die schmerztherapeutischen Angebote vor Ort zu schaffen. Daß die Bremer Initiative als eine neue Form von „Patienten- oder Kundenfang“ gedacht sei, tat Dr. Hartmut Göbel aber als viel zu „tendenziell“ ab.

Inoffiziell aber monieren Schmerzmediziner, daß die geplante Vereinigung Patienten gleich zu Fachärzten schleuse und dabei zum Beispiel die Hausärzte völlig außer acht lasse. Das ärgert in der Tat auch Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbandes. Rund um das Bremer Schmerzzentrum hätte sich eine Art „in-group“ gebildet, die die Hausärzte ganz außen vor lasse. Die von den Schmerztherapeuten speziellen Fälle zeigten schließlich nur „die Spitze des Eisberges“. Kopfschmerzen beträfen eine weitaus größere Anzahl von Leuten, die erstmal vom Hausarzt beraten werden könnten. Statt dessen entwickle sich ein neuer abgeschotteter Medizinbereich, der mit hohen Honoraren und „Marketing“ arbeite.

Ein Kritikpunkt, den Patientenvertreter nicht unbedingt teilen: Von der Migräne Liga jedenfalls heißt es: „Es ist uns egal, ob sich die Ärzte gegenseitig die Köpfe einschlagen. Wir wollen nur von wirklichen Fachleuten Hilfe haben“, sagt Niklau Karheiding. kat

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