piwik no script img

Bosnien – Berlin – BosnienNeuer Versuch in Berlin

■ Viele leben in der Illegalität

Die Zahl schwankt zwischen 100 und 400. Tendenz steigend. Keiner weiß genau, wieviele „Rück-Rückkehrer“ aus Bosnien mittlerweile zurück nach Berlin gekommen sind. Die Innenverwaltung geht von einer „dreistelligen Zahl“ aus, aber weit unter 1.000. „Konkrete Angaben gibt es nicht“, sagt Sprecher Martin Strunden. „Rück-Rückkehrer sind nicht gesichert erfaßt.“ Flüchtlingsorganisationen schätzen die Zahl höher. Die Sprecherin des Flüchtlingsrats, Ursula Jeske, glaubt, es könnten zwischen „300 und 400“ sein, ein Mitarbeiter der Romani-Union geht von ähnlichen Zahlen aus. Doch nicht alle melden sich bei Beratungsstellen.

„90 Prozent der Rückkehrer sind Roma-Familien. Manche von ihnen haben fünf bis sechs Kinder“, weiß Jeske aus der Beratung. Sie lebten ursprünglich in der serbischen Teilrepublik Srpska, in der Muslime und Roma seit dem Krieg aber kaum eine Chance haben, sich wieder anzusiedeln.

Jeske bekommt immer häufiger Briefe von freiwillig Zurückgekehrten, die darüber klagen, daß sie in den Gemeinden der muslimischen Föderation nicht registriert würden und keine Wohnung fänden. In der Srpska sei es noch schwieriger, selbst die Kinder hätten Probleme in der Schule, würden auch dort diskriminiert. „Das wird uns berichtet, die Wahrheit können wir natürlich nicht nachprüfen“, sagt Jeske. Doch eines ist klar: „Viele von ihnen fassen wirtschaftlich und gesellschaftlich einfach keinen Fuß und kommen deshalb zurück“, sagt Jeske. Sie kommen entweder mit Touristenvisum oder gänzlich ohne Aufenthaltsstatus.

Oft sei es schwer, die genauen Rückkehrgründe zu erfahren, sagt Beraterin Elisabeth Reese. „Es gehört auf jeden Fall eine riesige Zähigkeit dazu, sich in Bosnien durchzuschlagen.“ „Einer hat mir neulich gesagt, daß er sich lieber in Berlin erschießen lassen würde, als weiterhin in Bosnien zu leben“, sagt ein Mitarbeiter der Romani-Union lapidar.

Einige der Rückkehrer haben das vom Berliner Senat initiierte Programm für Bosnier aus der Republika Srpska beansprucht, an dem sich insgesamt rund 3.800 Menschen beteiligt hatten. Sie erhielten pro Person 1.500 Mark, die Gemeinden, die die Rückkehrer in Bosnien aufnehmen, bekommen 2.000 Mark pro Person. „Bei vielen war das Geld schnell alle, und sie haben keine Gemeinde gefunden, die sie aufnimmt“, sagt Reese. Das Programm sei der Situation in Bosnien nicht angemessen. „Es können nur bestimmte Gruppen an bestimmte Orte zurückkehren.“

In Berlin besteht jedoch wenig Hoffnung auf einen dauerhaft gesicherten Aufenthalt. Einige halten sich in der Illegalität auf, andere melden sich bei der Ausländerbehörde, in der Hoffnung auf Duldung und Sozialhilfe. In der Ausländerbehörde bekommen sie jedoch lediglich eine „Grenzübertrittsbescheinigung“ für einige Wochen, mit der sie jederzeit abgeschoben werden können. Sind die Betroffenen nach Ansicht der Behörden nur wegen der Sozialhilfe zurückgekommen, kann ihnen diese nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verwehrt werden. Für die Innenverwaltung steht fest: „Rück-Rückkehrer werden vordringlich abgeschoben“, sagt Sprecher Martin Strunden.

Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen