: Gemeinsames Malen als Kommunikationsspiel
■ Geballte Ladung Energie: Das Künstlerkollektiv Herzogstraße in der Galerie Gunar Barthel
Vor zehn Jahren eröffnete die Galerie Gunar Barthel in Berlin – damals noch West-Berlin – mit einer Ausstellung des Kollektivs Herzogstraße. Eine Dekade später und nur um ein paar Häuser weitergezogen, erinnert die Galerie erneut an dieses Münchner Gruppenexperiment aus den Jahren 1975 bis 1982. Daß Gunar Barthel damals seinen Einstand mit dem Kollektiv Herzogstraße begann, war Programm. Der ehemalige Leiter der Galerie Oben in Karl- Marx-Stadt, kurz zuvor in den Westen ausgereist, knüpfte damit an seinen Einsatz für nonkonformistische Künstler der DDR an wie zum Beispiel die Künstlergruppe Clara Mosch.
Die Münchner Künstlergruppe ist auch im Westen Deutschlands noch immer kaum bekannt. Tatsächlich steht sie im Schatten ihrer Vorgänger: Cobra, Spur, Wir, Geflecht und Situationisten. Sie alle waren Gruppen, die parallel oder in Opposition zum Informel entstanden und Elemente von Art brut, Neodadaismus und Pop Art verarbeiteten. Sie hielten sich vom Kunstmarkt fern und vertraten in ihren gemeinsam hergestellten Werken kritische und utopische Positionen. Zum Kollektiv gehörten zwölf Künstler: Hans Matthäus und Renate Bachmayer, Dieter Bartscht, Jutta von Busse, Heiko Herrmann, Thomas Niggl, Heimrad Prem, Armin Saub, Ursula Strauch-Sachs, Dieter Strauch, Helmut Sturm und Heinz Weld.
In der Ausstellung stehen die beiden großen Gemeinschaftskompositionen, das Triptychon „Fra Grad“ und „Mode hos Jeanette (Drakabygget)“, im Zentrum. Viele der Kollektivbilder wurden schon kurz nach ihrer Entstehung von den Akteuren wieder zerstört, gingen verloren oder waren nicht adäquat zu konservieren wie die gemalten „Raumbildobjekte“. Heimrad Prem schrieb zur Gruppenmalerei: „Die Akteure sind bei der Gestaltung sowohl Beteiligte als auch Zuschauer. Das Ergebnis läßt sich nicht voraussehen. Jedes Bild hat eine eigene Entstehungsgeschichte und verändert sein Gesicht zunehmend. (...) Weiterhin ist aber nicht nur das Malen des Bildes von Bedeutung, sondern für die Beteiligten verkörpert ihre Zusammenarbeit gleichzeitig auch ein kommunikatives Spiel...“
Zum Spiel aber gehören auch Gewinner. Immer gibt es einzelne Künstler, die dominanter sind und dem Bild ihren Stempel aufdrücken. So erscheinen die beiden großen abstrakt-expressiven Bilder nur auf den ersten Blick ähnlich. „Fra Gra“ ist räumlicher, expansiver, geprägt von schwarz-weißer Gestik, „Mode hos Jeanette“ hingegen heftiger, kontrastreicher, aggressiver. Nur eins ist beiden gemeinsam – eine geballte Ladung Energie.
Michael Nungesser
Galerie Gunar Barthel, Di–Fr 11–19 Uhr, Sa 11–14 Uhr, Fasanenstraße 15
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