Press-Schlag
: Der neue Mann und die Mär

■ Kaum hat er wieder einen Job, hat Trainer Winfried Schäfer auch wieder Probleme

Knapp vier Monate nach seinem Rauswurf beim VfB Stuttgart hat Winfried Schäfer also wieder einen Job: Heute zum Frühgalopp wird seine rotblonde Siebziger-Jahre-Matte zum ersten Mal auf dem Trainingsplatz des Charlottenburger Mommsenstadions wehen.

Die Ernennung Schäfers war selbst für Kenner des Vereins überraschend gekommen: Noch am Wochenende hatte Jan Schindelmeiser, Manager bei Tennis Borussia Berlin, den Rheinländer als „Wichtigmacher“ bezeichnet, der sich „nur selbst ins Gespräch bringen wolle“. Doch wie das so geht: Frank Pagelsdorf wollte zuviel Geld, Horst Ehrmanntraut angeblich seinem Freund Stanislav Levy nicht in den Rücken fallen.

Jetzt ist Schäfer eben doch da, der schon beim Auswärtsspiel in Köln vor gut zwei Wochen – damals war Levy noch in Amt und Würden – auf der Tribüne gesichtet worden war. Und von den vernichtenden Aussagen über Schäfer will bei Tebe nicht nur Schindelmeiser nichts mehr wissen. Nach der Bekanntgabe der Entlassung von Levy seien „immer neue Märchen ins Leben gerufen worden“, schimpfte der Aufsichtsratsvorsitzende Erwin Zacharias. Dabei hätte der Aufsichtsrat nur „seine Arbeit getan“ und „kontinuierlich mit dem Wunschkandidat Schäfer verhandelt“.

Daß die Chefs des Finanz- und Versicherungsunternehmens Göttinger Gruppe und de facto Klubbesitzer sich nicht im Stile eines Egidius Braun mit einer Telefonaktion um dritte, vierte und fünfte Wahlmöglichkeiten an die Öffentlichkeit begeben, ist verständlich. Die gesammelte Schreiberzunft der Hauptstadt aber der Lüge zu bezichtigen, erscheint allerdings wenig professionell, denn verletzte Eitelkeit verwandelt sich schnell in negative Berichterstattung.

So hat man sich dann auch gestern zur Begrüßung Schäfers mehr in einer hämischen Abrechnung mit dem Prozedere seiner Kür geübt („Ein Netz von Lügen und Intrigen“, Berliner Zeitung) als in einer Abwägung seiner sportlichen Fähigkeiten. Ohne selbst viel mehr als „Hallo“ gesagt zu haben, ist Schäfer (49) damit an seiner neuen Wirkungsstätte bereits wieder in die Defensive geraten. Da hilft wohl auch seine anbiedernde Ankündigung nicht, er wolle seinen Kumpel Thomas Häßler zu TeBe holen.

Um seine Aufgabe ist der Mann jedenfalls nicht zu beneiden: Gilt es doch, den Zweitligisten, dessen Siegeszug in der letzten Zeit etwas ins Stocken geraten ist, umgehend in die Bundesliga zu hieven. Weil „sonst morgen die nächste Mär ins Leben gerufen“ (Zacharias) wird, sollte man an dieser Stelle vielleicht schon mal den Aufsichtsratsvorsitzenden zitieren: „Die Zusammenarbeit mit Herrn Schäfer ist langfristig geregelt bis zum Jahr 2002“, sagte Erwin Zacharias. Die Zusammenarbeit mit den in dieser Saison bereits geschaßten Gerland und Levy war auch langfristig geregelt. Schäfers Jobgarantie sei aber zudem „unabhängig von der Tabellensituation“. Nun: Vorgänger Levy mußte seinen Job als Tabellenvierter abgeben. Beim Rauswurf Gerlands hatte TeBe sogar noch bessere Perspektiven. Carsten Beyer