: „Wahnsinn“
■ Der Totalverweigerer und grüne Abgeordnete Dietmar Volk lehnt die Nato-Bombenangriffe ab
taz: Können die Bomben der Nato auf Jugoslawien die Vertreibung der Kosovo-Albaner verhindern?
Dietmar Volk: Offensichtlich nicht – im Gegenteil: Die Vertreibung wird brutaler. Außerdem treffen die Angriffe auch die Zivilbevölkerung. Die Leute wohnen doch ganz nahe neben den Kasernen und Depots, die die Nato-Piloten zerstören sollen. Viele finden keinen Platz in Schutzbunkern. Was da passiert, ist militärischer Wahnsinn.
Sie lehnen die Angriffe grundsätzlich ab?
Auch deshalb, weil Diktatoren meistens gestärkt aus solchen Angriffen hervorgehen.
Tragen die Grünen Verantwortung für den Krieg?
Natürlich, unsere Partei ist ja an der Regierung beteiligt. Außerdem haben die Grünen klar gesagt, daß Militäreinsätze nur mit einem Mandat der UNO in Betracht kommen. Das fehlt hier aber. Die Nato führt jetzt einen Angriffskrieg gegen ein Land, das – so schlimm es ist, das zu sagen – selbst keinen anderen Staat angegriffen hat. Die Grünen hätten noch intensiver darauf drängen müssen, daß weiterverhandelt wird, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.
Muß man sich nicht über das offensichtlich unzureichende Völkerrecht hinwegsetzen?
Diese Fragen gehen alle sehr an meine Substanz. In der DDR war ich Totalverweigerer. Mein 18jähriger Sohn fragt sich, ob er Zivildienst machen soll oder Kriegsdienst oder gar nichts. Er hat darauf gesetzt, daß die Grünen sich gegen Zwangsdienste und Krieg aussprechen. Ich bin nun in einer Glaubwürdigkeitskrise – es geht ein Riß durch meine Seele. Ich sehe die verzweifelte Situation im Kosovo, aber ich sehe auch, daß nach 14 Tagen Bomben die Situation kaum anders ist als heute.
Kämpfen Sie mit sich selbst, um Ihre Haltung als Kriegsdienstverweigerer zu bewahren?
Wenn man die Massaker unter der Bevölkerung sieht, natürlich. Aber auch der ehemalige Vermittler in Bosnien, Hans Koschnick, sagt, man hätte früher eine Balkankonferenz einberufen müssen, man habe nicht lange genug verhandelt, man habe die UÇK unsinnigerweise bewaffnet.
Könnten Sie verstehen, wenn ihr Sohn mit der Bundeswehr nach Makedonien zöge?
Für mich wäre das ein hartes Ding. Denn ich bin Pazifist aus religiöser Überzeugung.
Was sollten die Grünen jetzt tun?
Sie müssen sich dafür einsetzen, daß die Attacken sofort, am besten noch heute, beendet werden. Aber sie sollten nicht mit dem Bruch der Koalition drohen.
Interview: Hannes Koch
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