■ Nebensachen aus Jakarta: Hose oder Präsident
Als wir im Foyer des Präsidentenpalastes von Jakarta auf unseren Empfang bei Staatschef B. J. Habibie warten, bewundere ich unsere indonesischen Begleiterinnen: Mit ihren goldgewirkten seidenen Batiksarongs und feinen engen Blusen, der sorgsam aufgesteckten schwarzen Haarpracht, den funkelnden Ohrringen und rot nachgezogenen Lippen sind sie eine Augenweide.
Vor rund vierzig asiatischen Zeitungsherausgebern, Chefredakteuren, JournalistInnen und einer Handvoll deutschen KollegInnen wird Habibie gleich eine Rede halten – Höhepunkt eines Medienseminars der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta. Der Suharto-Nachfolger ist bekannt für seinen offenen und unkonventionellen Stil.
Plötzlich kommt eine junge Dame auf mich zu. „Es tut mir so leid“, sagt sie. „Sie können nicht mit reinkommen.“ Ich bin wie vom Donner gerührt und sicher, daß ich mich verhört habe. „Wie?“ stottere ich. Sie schaut mich von oben bis unten an. Ich bin in eines dieser grauen Ensembles gehüllt, die als „klassisch elegante“ Verpackung einer berufstätigen Frau gelten. „Haben Sie die Einladung nicht gelesen?“ fragt die Dame vom Präsidentenamt traurig. „Da haben wir doch extra geschrieben, wie Sie sich anzuziehen haben.“ Tatsächlich, rechts unten auf der Karte steht „national dress“.
Ich bin erleichtert. Das läßt sich vielleicht aufklären. „Wir in Deutschland“, sage ich, „haben so was gar nicht“, sage ich. Solche Trachten seien nur noch bei den ethnischen Minderheiten verbreitet, zum Beispiel bei den Alpen- und Schwarzwaldvölkern. „Wer wie ich nicht dazugehört, trägt in meiner Heimat zu feierlichen Anlässen Kostüme, Kleider oder Hosenanzüge.“
Die junge Dame vom Protokoll ist einsichtig, aber ihr Chef nicht. Mit Hose, läßt er mitteilen, dürfe eine Frau nicht vor das Auge des Präsidenten treten. Da fällt mein verzweifelter Blick auf eine indonesische Reporterin, die ein streng muslimisches Gewand gewählt hat, wie es heute immer mehr Indonesierinnen tragen: langes Kopftuch, weit geschnittenes Kleid bis zu den Knien, darunter eine Hose. „Das ist eine andere Sorte von Hose“, belehrt mich die Kollegin freundlich, aber bestimmt.
Ein höherrangiger Beamter überredet den Protokollchef schließlich, im Sinne der deutsch-indonesischen Beziehungen ein Auge zuzudrücken. Ich verstecke mich in der letzten Reihe. Glücklicherweise geht alles glatt. Der Präsident ist nicht aus dem Konzept zu bringen. Ohne sich um sein Manuskript zu kümmern, spricht er 90 Minuten lang über Gott und die Welt.
Am Abend setzt sich die junge Protokolldame zu mir an den Tisch. Sie trägt nun Jeans und ein weißes T-Shirt. „Nächstes Mal“, sagt sie, „bringen Sie lieber Ihre nationale Tracht mit. Oder kaufen Sie wenigstens einen Sarong.“ Jutta Lietsch
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