piwik no script img

Justiz legt Todesdoktor das Handwerk

■ Ein Geschworenengericht in den USA spricht Kevorkian schuldig: bis zu 30 Jahre Haft

Washington (taz/epd) – Der als „Docor Death“ bekannte Pathologe Jack Kevorkian ist Freitag von einem Geschworenengericht in Pontiac, Michigan, wegen Todschlags für schuldig befunden worden. Kevorkian, der seit zehn Jahren Sterbehilfe leistet und Kranken auf deren Wunsch mittels Giftmischungen und selbstgebauten Selbstmordapparaten dabei hilft, ihr Leben zu beenden, hatte diesen fünften Prozeß selbst heraufbeschworen, als er von seinen letzten Sterbebeistand ein Video anfertigte und das dem Fernsehsender CBS gab.

Kevorkian, der sich gegen den Rat seines Anwalts selbst verteidigte, argumentierte, daß Sterbehilfe wie das Wahlrecht für Frauen oder Schwarze gesehen werden müsse: ehemals verboten, heute ein selbstverständliches Recht.

In der Vergangenenheit war Kevorkian bei mehreren Prozessen freigesprochen worden. Dieses Mal warf der Staatsanwalt ihm vor, wie ein „Auftragskiller“ mit seinem Giftköfferchen herumzureisen. Kevorkian blieb gegen eine Kaution von 750.000 Dollar auf freiem Fuß. Die Richterin setzte die Verhandlung über das Strafmaß für den 14. April an. Ihm droht jetzt zwar nicht (wie die Samstag in der taz schrieb) die Todesstrafe, aber bis zu dreißig Jahre Gefängnis.

Jack Kevorkian hat angekündigt, daß er im Falle seiner Verurteilung in den Hungerstreik treten will. Zunächst aber hat sein Anwalt, dem Kevorkian wieder die Führung seines Prozesses anvertraute, Berufung angekündigt.

In den USA wird seit Jahren über „humanes Sterben“ diskutiert. Kevorkian allerdings agierte als Einzelgänger. Er leistete Sterbehilfe in 130 Fällen – erstmals 1990 bei der an Alzheimer leidenden Janet Adkins. Wegen der Auswirkungen ihrer Krankheit war sie nach Ansicht von Medizinern kaum in der Lage, einen freien Willen zu bekunden. Viele Befürworter von Gesetzen für ein Recht auf „humanes Sterben“ wollen von Kevorkian und seinen schockierenden Thesen nichts wissen. Unter anderem möchte er ein nationales System von „Sterbehäusern“ einrichten. Er macht keinen großen Unterschied zwischen Sterbehilfe und dem geplanten Töten „unwerten“ Lebens und hält selbst die Arbeit mancher Nazi-Ärzte in Konzentrationslagern für nützlich für die Wissenschaft.

Vor über dreißig Jahren machte er bereits den Vorschlag, die Organe von zum Tode verurteilten Häftlingen unmittelbar vor ihrer Hinrichtung zu entnehmen. Der frühere Pathologe, dem 1991 die Approbation als Arzt aberkannt wurde, tritt auch dafür ein, medizinische Experimente an Todkranken vorzunehmen. Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen