Urlauber mit Stummelflügeln

Zwei Pinguine wohnen in St. Georg auf einem Parkplatz – und sorgen für Debatten über Schaulust und Tierschutz  ■ Von Eberhard Spohd

Pinguine genießen unsere uneingeschränkte Sympathie. Die stummelflügeligen Meeresvögel tragen ganz nonchalant ihre als Gefieder getarnte Diplomatenkleidung. Neugierige Blicke kontern sie mit herablassender Mimik. Und dennoch scheuen sich diese noblen Tiere nicht, von Zeit zu Zeit menschliche Siedlungen zu besuchen, die nicht unbedingt ihren hohen Ansprüchen genügen dürften.

So gastieren zur Zeit zwei Tiere der Familie Spheniscidae im Hansa-Theater. Ihre Heimstatt ist ein Parkplatz mitten in St. Georg, auf dem ein kleines Bassin für sie errichtet wurde. „Wir sind hier zur Zeit in Urlaub“, erklären die Pinguine auf Nachfrage. „Wir wohnen eigentlich in Dänemark, aber da ist es uns im Winter zu kühl. Darum ziehen wir es vor, während der Kälteperiode in wärmeren Gegenden zu gastieren.“ Zu kalt, mag man da denken, kann es Pinguinen doch gar nicht sein. „Doch, doch“, bestätigen die beiden, „unsere Heimat ist nicht die Antarktis, sondern Süd-afrika. Von Minusgraden halten wir darum nichts. Wir frieren, wenn es zu frisch wird.“

Hamburgs Tierschützer wollen das partout nicht einsehen. Flugs gründete sich unter militanteren Anhängern des Artenschutzgedankens die Pinguin Befreiungsfront (PBF). Ihr Ziel: Nächtens zuzuschlagen, die beiden flugunfähigen Lieblinge zu entführen und in Hagenbecks Tierpark wieder auszusetzen. Von diesem Ansinnen nahm die PBF, wie sie nach einigem Nachdenken verlautbarte, wieder Abstand, da ihrer Meinung nach die Gefahr einer solchen Aktion zu groß und die artgerechte Haltung der beiden „Hansa“-Stars im Zoologischen Garten ebenfalls nicht garantiert sei.

Dr. D. Günther vom Veterinäramt des Bezirks Mitte hält überhaupt nicht viel vom Begriff „artgerecht“. Dieser sei im Tierschutzgesetz „nicht ausreichend definiert. Ich spreche in solchen Fällen lieber von tiergerecht“. Günther kontrolliert die Tierhaltung in Zirkussen, die in Hamburg ein Gastspiel geben oder – wie in diesem Fall – von Varieté-Künstlern. „Leider muß ich sagen, daß solche Formen der Unterbringung üblich sind.“ Der Veterinär weiß um den Zwiespalt von Schaulust und Tierschutz und bekennt auch, daß die Manegenvögel gut gepflegt werden: „Die bekommen regelmäßig ihr Futter und werden aus gesundheitlicher Sicht besser versorgt als in freier Natur.“ Denn ihre Kunststücke sind die wirtschaftliche Grundlage der Dresseure und Dompteure. „Und die meisten Tiere“, ergänzt Günther, „warten fiebrig auf ihren Auftritt“.

Allein, die beiden Frackträger in St. Georg läßt der Streit kalt. Sie stehen in ihrem Wagen auf dem Parkplatz, gönnen sich hin und wieder ein Bad in ihrem Bassin oder ein paar Fische. Morgen fahren sie zurück nach Dänemark. Und ab April treten zwei Seehunde im Hansa-Theater auf.