Der Fußball frißt ihn auf

■ Finnlands Weltklasseprofi Jari Litmanen hat ein Problem: Sein Spiel braucht zu viel Energie

Amsterdam (taz) – Jari Litmanens Körper reagiert oft nicht auf den Schlußpfiff. Herz- und Kreislauf arbeiten weiter auf Höchsttouren. Er hat sie so extrem beansprucht, daß sie Stunden brauchen, um wieder auf normales Tempo zurückzuschalten. Und in seinem Kopf laufen die Angriffe noch einmal ab. Er nimmt dann Schlaftabletten. Manche sagen, der Fußball fresse ihn von innen auf.

Das ist eigentlich nicht der Eindruck, den Litmanen (28), Finnlands erster und einziger Weltklassefußballer, äußerlich macht. Seine Bewegungen sind ohne Hast, auf dem Fußballplatz wie normalerweise auch im Gespräch. Derzeit aber wirkt er angestrengt. Litmanens Auftritt mit der finnischen Elf am morgigen Mittwoch in Nürnberg im EM-Qualifikationsspiel gegen den DFB fällt in die unruhigste Zeit seiner Karriere.

Woche für Woche melden spanische Zeitungen, Litmanen habe beim FC Barcelona angeheuert, Woche für Woche dementiert er. „Gestern sei ich in Barcelona gewesen, schreiben sie? Soweit ich weiß, war ich in der Amsterdamer Innenstadt, leckere Pfannkuchen mit Eis essen.“ Sicher scheint nur, daß Litmanen zum Saisonende geht, nachdem das große Team des Champions-League-Siegers von 1995 auseinandergelaufen ist.

Sein neuer Verein wird einen Mittelfeldspieler bekommen, der, so schreibt die niederländische Zeitschrift Sport International, „mittlerweile für seine Verletzungen genauso berühmt ist wie für seine Qualitäten“. In den sieben Jahren, die er bei Ajax verbrachte, hat er im Durchschnitt in jedem dritten Spiel gefehlt. In dieser Saison verpaßte er nahezu den kompletten Winter mit Knöchelbeschwerden. Seine Achillessehnen sind schnell entzündet; vielleicht ist er ein Opfer seines eigenen Engagements. Sein Laufpensum ist außergewöhnlich, oder wie Litmanen sagt: „Zumindest höher als das eines Torwarts.“ Er lasse sehr viel Kraft in 90 Minuten: „Nach einem harten Match bin ich tagelang müde.“ Spitzenteams müssen ständig im Rhythmus von drei, vier Tagen spielen. Die Unsicherheit ist groß, ob sein Körper den Anforderungen von neuerdings rund 60 Spielen pro Saison gewachsen ist.

Litmanen spielt derzeit gut für Ajax, jedoch nicht mehr so phantastisch wie 1995 und 1996. Trotzdem werden ihn die Finnen morgen in Nürnberg bei jedem Spielzug suchen. Außer Dennis Bergkamp hat kein Spieler im vergangenen Jahrzehnt so sehr den Ajax-Stil personifiziert wie „der komplette Fußballer“ (Ajax-Kapitän Danny Blind) Litmanen. Seine Pässe kombinieren Eleganz mit Effizienz, er kann den 21 anderen Spieler das Tempo aufzwingen, nach dem ihm gerade ist. Dabei scheint seine größte Freude, mit seinen Vorlagen die Mitspieler ins Scheinwerferlicht zu schicken. Trotz oder wegen solcher Bescheidenheit wurde sein Name populär. Es gibt heute viele Jaris in den Niederlanden: Goldfische, Hamster, erstgeborene Söhne. Ronald Reng