: „Keine einsamen Entscheidungen mehr“
■ Die neue Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens, über neue Strukturen und das Verhältnis zu Rot-Grün
taz: Fahren Sie mit dem Auto zur Arbeit?
Brigitte Behrens: Ab und an, morgens früh oder abends spät.
Nehmen Sie an Aktionen teil?
Nein, das gehört nicht zu den Aufgaben der Geschäftsführung. Das machen ausgebildete und häufig ehrenamtliche Greenpeace-Mitglieder.
Warum hatten dann Greenpeace-Insider über das Magazin „Spiegel“ Ihrem Vorgänger Walter Homolka zum Vorwurf gemacht, er fahre Auto und sei auf Aktionen nicht dabei ?
Das weiß ich nicht. Ich war auch erstaunt, diese Vorwürfe in der Presse zu finden.
Wie erklären Sie sich das Scheitern Ihres Vorgängers?
Eine Hierarchie mit drei Geschäftsführern und 14 Bereichsleitern ist einfach zu massiv für unsere Organisation, das haben wir jetzt erkannt. Wir brauchen transparentere Entscheidungen mit klareren Verantwortlichkeiten.
Nun hatte das Ihr Aufsichtsrat längst erkannt und mit Homolka einen Mann aus der Wirtschaft geholt, um die Erstarrung aufzubrechen. Warum lief das schief?
Ich möchte hier nichts über meinen Vorgänger sagen, das müssen Sie verstehen.
Wie ist der Rauswurf von Homolka bei Greenpeace aufgenommen worden? Wir bekamen Leserbriefe von Greenpeace-Mitgliedern, die enttäuscht waren.
Wir haben bloß 10 bis 12 Briefe bekommen – und das bei 530.000 Fördermitgliedern. Die hatten im Tenor durchweg Verständnis, hätten aber gerne mehr gewußt. Anders sieht das bei unseren ehrenamtlichen Kollegen und Kolleginnen in den Greenpeace-Gruppen aus. Die konnten die Trennung zunächst nicht nachvollziehen.
Homolka wollte sie stärker an Entscheidungen beteiligen.
Das hat er so nicht formuliert. Er hatte sich in den letzten Monaten in einigen Gruppen persönlich vorgestellt und stand für sie für die Zukunft.
Werden die Gruppen denn, wie gefordert, mehr Selbstbestimmung über ihre Kampagnen bekommen?
Die Gruppen sind über die Gruppenbeiräte in den Diskussionsprozeß einbezogen. Aber Entscheidungen über eigenständige Kampagnen werden sie auch künftig nicht fällen können, weil ja auch die Zentrale in den internationalen Rahmen eingebunden ist. Ich glaube, es geht den Gruppen vor allem um mehr Transparenz: Sie wollen nicht aus der Zentrale ohne Erklärungen etwas vorgesetzt bekommen – ein berechtigtes Anliegen.
Greenpeace will sich ändern und macht eine Frau zur Geschäftsführerin, die schon 13 Jahre dabei ist. Schmoren Sie da nicht im eigenen Saft?
Wir schmoren nicht im eigenen Saft. Innerhalb der Organisation gibt es ein hohes Potential, das ich nun fördern werde. Und wir werden zu einzelnen Debatten auch Experten von außen einladen.
Wie wollen Sie die Verkrustung der Strukturen aufbrechen?
Meine Aufgabe ist es, hier einen internen Diskussionsprozeß herbeizuführen und zu moderieren. Ich will mehr Mitarbeiter als zuvor einbeziehen – die Entscheidungen sollen nicht mehr wie bisher einsam in der Führungsspitze fallen. Bis August soll das alles abgeschlossen sein. Ich habe – bedingt durch die Verkleinerung der Geschäftsführung – bereits einen Teil der Aufgaben nach unten delegiert. Aber aus meiner Sicht geht es gar nicht so sehr um die Struktur: Es gab eine gewisse Stagnation bei uns. Und wir müssen uns wieder mehr Gedanken machen, welche Rolle und künftige Aufgabe wir haben.
Wo liegt das Problem?
Das erste Problem lautet: Welche Rolle übernehmen wir gegenüber Rot-Grün? Wenn nun die Regierung sich erstmals der Umweltthemen offiziell annimmt, werden wir eher in die Rolle eines Kommentators gedrängt. Nur hat sich das ja inzwischen so entwickelt, daß auch die rot-grüne Regierung gar nicht so aktiv ihre Koalitionsvereinbarungen umsetzt, wie wir das uns gewünscht haben.
Das andere Problem ist, daß viele Umweltgefährdungen nicht mehr so gut sichtbar sind wie früher. Brent Spar ist ein sichtbares Symbol, der Artenschwund nicht. Die Frage ist also, wie können wir künftig unsere Arbeit für den Umweltschutz kommunizieren.
Wie wollen Sie da vorgehen?
Wir glauben, daß die Konfrontation vor dem Fabriktor nicht mehr so sehr unseren Zielen nutzt wie früher. Bei der Gentechnik-Kampagne versuchen wir statt dessen, den Verbrauchern eine aktive Rolle zuzuweisen. Sie können über ihre Kaufentscheidung im Supermarkt Druck auf die Lebensmittel-Industrie ausüben, etwa auf Gentechnik zu verzichten. 230.000 Mitmachern in unserem Projekt „EinkaufsNetz“ ist das bisher ganz gut gelungen. Aber deswegen werden wir nicht auf spektakuläre Aktionen verzichten.
Wie funktioniert Ihre Verbraucherkampagne im Supermarkt?
Die Mitmacher in dem „EinkaufsNetz“ bekommen von uns Informationen über Hersteller, die sich für gentechnikfrei erklärt haben oder auch nicht. Und die Verbraucher schreiben zum Beispiel Protestbriefe an die Firmen. Es haben sich Gruppen gebildet, die das oft auch ohne unser Wissen weitermachen – genau so stellen wir uns das vor: Nach dem Schneeballprinzip entsteht ein großer Druck auf die Hersteller.
Greenpeace wird immer noch mit Schlauchbooten assoziiert. Glauben Sie, daß Sie dieses Bild so einfach verändern können?
Natürlich. Wir begreifen uns als kämpferischer Anwalt für Natur und Umwelt – das geht durchaus auf verschiedenen Ebenen. Aber das zu kommunizieren ist uns tatsächlich noch nicht so gut gelungen, das müssen wir in Zukunft besser machen. Interview: Matthias Urbach
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