: Geld-zurück-Garantie vom Gericht
Neues Urteil: Mieter können zuviel bezahlte Miete zurückfordern, auch wenn sie eine billigere Wohnung finden könnten ■ Von Gernot Knödler
MieterInnen haben jetzt bessere Möglichkeiten, zuviel bezahlte Mietbeträge zurückzufordern. Wie der Verein Mieter helfen Mietern (MhM) mitteilt, hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg einen entsprechenden Rechtsentscheid erlassen. Demnach gilt: Wer neu in eine Wohnung eingezogen ist und dafür eine überhöhte Miete bezahlt, kann einen Teil seines Geldes zurückfordern – auch dann, wenn er oder sie heute in eine billigere Wohnung der gleichen Art umziehen könnte.
Ein Beispiel von MhM-Beraterin Sylvia Sonnemann: Jemand hat 1992 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in schlechter Lage gemietet, zu einem Preis, der mindestens zwanzig Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Nach der bisher bundesweit gültigen Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt am Main konnte er die zuviel bezahlten Beträge bis einschließlich 1995 zurückverlangen, denn bis damals wurden deutlich mehr Wohnungen dieser Art gesucht als angeboten. Der Vermieter hatte die Zwangslage nach Ansicht des Gerichts in unschicklicher Weise ausgenutzt.
Nach 1995 änderte sich die Lage auf diesem Teil des Wohnungsmarktes. Das Angebot zog mit der Nachfrage gleich; Mieter, die eine überhöhte Miete zahlen mußten, hatten plötzlich die realistische Chance, eine billigere Bleibe zu finden. Rückforderungen für die Jahre nach 1995 hielt das Frankfurter Landgericht deshalb nicht mehr für angebracht.
In seinem jetzt ergangenen Rechtsentscheid (Aktenzeichen: 4 RE Miet U 131/98) verficht das Hanseatische Oberlandesgericht eine andere Auffassung. Demnach ist allein von Belang, daß der Vermieter zur Zeit des Vertragsabschlusses eine überhöhte Miete verlangte und dabei ausnutzte, daß die Wohnungssuchende kaum eine Wahl hatte. Entspannt sich die Marktlage während des Mietverhältnisses, kann der Mieter weiterhin Rückerstattungen fordern. Vom Mieter einen Umzug zu verlangen, um der überhöhten Miete zu entgehen, halten die Hamburger Richter nach Angaben Sonnemanns für unzumutbar.
Ganz schön kompliziert, zumal infolge der aktuellen Gesetzeslage für jedes einzelne Segment des Mietwohnungsmarktes festgestellt werden muß, ob das Angebot „gering“ ist. „Warum macht man nicht gleich 'ne Vorschrift: Bei Neuvermietung darf nur das und das verlangt werden“, fragt Sonnemann.
Denn was unter einem „geringen Angebot“ zu verstehen ist, darüber gehen die Ansichten zwischen den Interessenvertretern der Mieter und der Vermieter auseinander. „Für alle Marktsegmente gibt es inzwischen ein ausreichendes Angebot“, behauptet Peter Uhlenbroock, Sprecher des Grundeigentümerverbandes Hamburg von 1832. Nach Einschätzung Sylvia Sonnemanns dagegen sitzen auf dem größten Teil des Wohnungsmarktes nach wie vor die Vermieter am längeren Hebel.
Der Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts ist bundesweit gültig. Er könnte nur vom Bundesgerichtshof kassiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen