: Kontrollen überall
■ Die Schleierfahndung hält Einzug ins Berliner Polizeigesetz. Heftige Proteste
Der Terrorismus der RAF ist längst nur mehr Vergangenheit; eine große Zukunft dagegen hat die zur Terroristenfahndung einst eingeführte Schleierfahndung. Als eines der letzten Bundesländer ist auch Berlin kurz davor, Elemente der Schleierfahndung in sein Landespolizeigesetz einzuführen.
Voraussichtlich am 29. April steht die Änderung des Gesetzes zur Allgemeinen Sicherheit und Ordnung (ASOG) auf der Tagesordnung des Berliner Abgeordnetenhauses. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Koalitionsparteien CDU und SPD, der am Montag bereits den Innenausschuß des Parlaments passiert hat, sieht vor, sogenannte „lageabhängige Kontrollen“ im Polizeigesetz zu verankern.
Nach jahrelangem Tauziehen zwischen CDU und SPD zur Frage, ob die Polizei das Recht bekommen sollte, nach dem Muster der Schleierfahndung jederzeit und überall Personen- wie Fahrzeugkontrollen auch jenseits eines konkreten Tatverdachtes durchführen zu dürfen, sind die SozialdemokratInnen in der Hauptstadt umgefallen und beschreiten nun auch den Weg des Kontrollstaates. Künftig soll die Polizei „zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität“ verdachtsunabhängig Personen im gesamten Stadtgebiet kontrollieren dürfen.
Eingeschränkt wird diese verdachtsunabhängige Kontrolle nur durch ihre „Lagebedingtheit“. Die Kontrollbefugnis gilt nämlich nur dann, wenn der Polizeipräsident befindet, daß die „Lage“ solche Kontrollen notwendig mache. „Die Maßnahme ist nur zulässig“, heißt es im Gesetzentwurf, „wenn aufgrund von Lageerkenntnissen anzunehmen ist, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen.“
Bislang darf die Polizei in Berlin nicht jenseits von Verdacht oder Gefährdung kontrollieren. Eine Ausnahme gilt für gefährliche Orte, gefährdete Objekte oder eingerichtete Kontrollstellen. Der Bundesgrenzschutz hat, wie in anderen Bundesländern, an Bahnhöfen und Flughäfen erweiterte Kompetenzen. Bis Dezember vergangenen Jahres hatten die SozialdemokratInnen diese Kompetenzen für ausreiend erachtet.
Noch an einem weiteren Punkt rüttelt die Berliner Gesetzesnovelle an den verfassungsmäßigen Grundrechten: Die lagebedingten Kontrollen sollen durch ein Aufenthaltsverbot ergänzt werden. „Die Polizei kann zur Verhütung von Straftaten einer Person untersagen, ein bestimmtes Gebiet innerhalb von Berlin zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person dort eine Straftat begehen wird“, schreibt die Große Koalition ins Berliner Polizeigesetz. Eine genauere Definition ist nicht vorgesehen.
Gegen die kurz vor ihrer Gesetzwerden stehenden Verschärfungen des ASOG hat die geschlossene Reihe der Berliner Bürgerrechtsorganisationen bereits Front gemacht. Doch nicht einmal die prominente Unterstützung durch etwa den FDP-Politiker Burkhard Hirsch oder den ehemaligen Polizeipräsidenten von Düsseldorf, Hans Lisken, hat die Berliner Große Koalition zum Nachdenken über ihren Schritt bringen können. Die Bürgerrechtsgruppen und die Berliner Opposition aus PDS und Bündnisgrünen nennen das Vorhaben einen Schritt in Richtung Polizeistaat. Oder wie der Staatsrechtler Eggert Schwan sich am Montag im Berliner Parlament äußerte: „das Todesglöcklein für den Rechtsstaat“. Barbara Junge
Wenn das Berliner Polizeigesetz auf diese Weise verschärft wird, dann läutet das Totenglöcklein für den Rechtsstaat
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